UNICEF-Namibia
Reaching the Unreached - Ein
Fenster der Hoffnung für die Aidsweisen
Namibia,
das riesige Land im Südwesten Afrikas erstreckt sich auf einer Fläche von
824,292 Km² von der Grenze Angolas im Norden über die Kalahariwüste im Westen
bis zu den Ufern des Orangeriver im Süden. Das Land
ist geprägt von rauem Gebirgs- sowie heißem Wüstenklima.
Namibia ist
von einer der größten AIDS Pandemien der Welt betroffen. Von den rund 1,8
Millionen Einwohnern waren bereits 2005 schon mehr als 230,000 mit HIV
infiziert. Das bedeutet fast jeder achte! Die Tendenz ist rasant steigend.
Belief sich
die Zahl der Kinder die durch AIDS zu Weisen wurden 1997 noch auf 27,500 so
kletterte sie 2006 auf 167,000. Mehr als sechs mal so
viele Kinder verloren ihre Eltern durch die Immunschwächekrankheit.
Am Erschreckendsten ist jedoch, dass im Durchschnitt jede
vierte schwangere Frau mit HIV infiziert ist. Im Norden des Landes, wo AIDS am verbreitetsten ist und 800000 Menschen leben, sind 42,4
Prozent aller Schwangeren betroffen.
Die
schrecklichen Folgen dieser Entwicklung sind ein Teufelskreis mit immer
schlimmeren Auswirkungen. Familien zerbrechen schon bevor sie richtig entstehen
können und minderjährige Kinder landen auf der Strasse. Sind sie nicht bereits
seit ihrer Geburt mit HIV infiziert steigt ihre Chance auf eine Neuinfektion
auf der Strasse exorbitant. Prostitution und Missbrauch von Minderjährigen sind
weit verbreitet, denn ohne Familie und ohne Chance auf Einkommen und Sicherheit
werden die Aidsweisen schnell an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Zahl
der Jugendlichen mit Schulabschluss sinkt dementsprechend, sämtliche
Gemeinschaftsstrukturen sowie das öffentliche Leben sind arg betroffen und
gerade in den Städten nimmt die Straßenkriminalität enorm zu.
Die Zukunft
des Landes hängt an einem seidenen Faden, der wie die Zündschnur einer Bombe
dabei ist abzubrennen.
Seit 2006
verfolgt UNICEF einen 4 Jahresplan um grundlegende Hilfsmaßnahmen für die
Aidsweisen zu etablieren sowie die Zahl der Neuinfektionen einzudämmen.
Das
geschieht einerseits durch das Schaffen von speziellen Jugend- und
Mutterschutzgesetzen auf nationaler Ebene, sowie durch den Aufbau von Care Points in den Dörfern im
regionalen Bereich.
Neben der
Aufklärung der Bevölkerung um effektive persönliche Schutzmaßnahmen ist es
ebenso wichtig den zunehmenden Gewalt und Missbrauchdelikten gegenüber Kindern
und Frauen Einhalt zu gebieten. Hier arbeitet UNICEF intensiv mit der
Legislative sowie der Exekutive zusammen.
Ebenso muss
oft ein Umdenken in den Dorf und Gemeindestrukturen erreicht werden,
risikoreiche Praktiken dürfen nicht aus Gewohnheit toleriert werde sondern
müssen von den Gemeinschaften selbst als gefährlich erkannt werden.
Für Kinder,
die durch HIV ihre Eltern verloren haben müssen spezielle Hilfsmaßnahmen
aufgebaut werden. Werden sie gesellschaftlich an den Rand gedrängt verlieren
sie auch jede Chance auf Bildung und Zukunft, und damit ist der Weg in die
Kriminalität oft die logische Konsequenz.
UNICEF hat
hier das Windows of Hope Programm ins Leben gerufen und damit eine Möglichkeit
geschaffen die Kinder in der am gefährdetsten
Altersgruppe, zwischen 10 und 14 Jahren zu erreichen und ihnen zu helfen..
Hierbei wird eng mit den Schulen zusammengearbeitet, die eigene Windows of Hope
Klassen parallel zum normalen Unterricht führen. In Gruppenarbeiten und
Diskussionen werden die Kinder über Schutzmassnahmen gegen AIDS sowie über die
Gefährlichkeit der Seuche aufgeklärt.
Als ich die
Kapombo Primary School in Ohadawa besuche kann ich mir selber ein Bild von der
Notwendigkeit dieses Programms machen.
Hier im
Norden des Landes, wo die meisten Menschen leben, herrscht auch die größte
Armut. Die Schule liegt etwas außerhalb des kleinen Dorfes, die heiße Sonne
Namibias brennt vom Himmel und in den Wellblechbaracken, die als Klassenzimmer
dienen, steigt die Temperatur auf über 40 Grad.
Die Schule
wird von 450 Schülern besucht und es gibt nur zwei Toiletten. Es mangelt an
Geld weitere zu bauen. In Namibia kümmert sich die Regierung zwar um den Bau
von Schulen sowie um die Bezahlung der Lehrkräfte, Renovierungsarbeiten und
Lehrbücher müssen die Schulen aber aus ihrem eigenen Budget bezahlen.
Normalerweise ist für diese Ausgaben von den Eltern der Schüler ein Schulgeld
zu entrichten welches im Jahr umgerechnet 6 Euro beträgt. Ein Großteil der
Familien kann sich diesen, für uns gering erscheinenden Betrag, jedoch nicht
leisten und den Schulen mangelt es am Grundlegendsten. Besonders schlimm wird
die Situation dadurch, dass viele der Kinder keine Eltern mehr haben und damit
keinerlei Geldmittel.
Ich besuche
einige der Klassen und setze mich mit den Kinder
zusammen. Ich erzähle ihnen von meiner Motorradreise durch Afrika und zeige
ihnen Fotos auf meinem Computer. Alle sind begeistert und es ist für mich ein
wunderschöner Moment, den Kindern mit so wenig so eine große Freude machen zu
können.
Später
halten wir alle gemeinsam eine Windows of Hope Klasse. Nach der
Anfangszeremonie, wo alle Kinder einen Kreis bilden und sich die Hände geben
lernen wir heute Nein zu sagen. Viele der Kinder trauen sich aus Angst vor
Bestrafung nicht einem Erwachsenen oder Älterem gegenüber etwas abzulehnen.
Durch diese Verhaltensweise werden sie jedoch zu stillen Opfern und dadurch in hohem
Grade verletzbar durch Missbrauch und Misshandlung. Und damit enden sie auf dem
Weg in einen Teufelskreis, der meist in der Sackgasse mit dem Namen HIV endet.
Später
frage ich die Kinder, was sie in der Windows of Hope Klasse über AIDS gelernt
haben und wie sie sich davor schützen können. Die 13 bis 14 Jährigen haben ein
so umfangreiches Wissen über die Krankheit, dass ich selbst erstaunt bin.
Kenntnis der Gefahr und Enttabuisierung des Themas ist der beste Weg für die
Zukunft.
Eine
Windows of Hope Klasse zu halten kostet nicht viel, wo UNICEF das Geld bitter
nötig braucht, ist bei der Unterstützung der Schulen. Durch die vielen
Aidsweisen können sich die Schulen einfach nicht mehr selber erhalten und die
Grundumstände machen einen Unterricht immer schwieriger.
HIV ist das
Grundübel und dort wo die Menschen daran leiden und auch zwangsläufig daran
sterben bricht die Gesellschaft immer mehr zusammen.
Während
Windows of Hope in erster Linie versucht die Kinder zu erreichen, hat UNICEF
mit My Future Is My Choice
ein Programm für die Jugendlichen geschaffen.
Die
Statistik alleine spricht Bände über die Wichtigkeit dieses Programms. Seit
1996 ist HIV für 46% der Todesfälle in der Altersgruppe der 15 bis 40 Jährigen verantwortlich.
2005 ergab die kontinuierliche Steigerung dieser Rate bezogen auf die
Einwohnerzahl bereits ein Todesopfer alle 20 Minuten. Dazu kommt, dass 39%
aller 19 Jährigen Frauen bereits ein Baby haben oder eben gerade schwanger
sind.
My Future Is My Choice setzt dort ein, wo
die Infektionsgefahr am Höchsten ist. Bei den 15-18 Jährigen. Seit 1997 hat das
Programm bereits 170.000 junge Menschen erreicht.
Ähnlich wie
bei den Kindern in den Windows Of Hope Klassen wird auch hier mit
Gruppenarbeiten, Rollenspielen und Diskussionen versucht gefährliche
Verhaltensmuster zu erkennen und dementsprechend positive Verhaltensweisen zu
erlernen.
Die
Teilnehmer erfahren wichtige Dinge über die Entwicklung des Körpers in der
Pubertät, sowie über die Gefahren die mit Sexualität und HIV, dem Missbrauch
von Alkohol und Drogen und der Bildung von Jugendbanden in Verbindung
stehen.
Besonders
wichtig ist es natürlich hier auf die starke Gruppendynamik dieser Altersgruppe
einzugehen.
Wenn
Freundeskreise Alkohol und Drogen konsumieren wird es schwer für einzelne sich
zu absentieren. Der Konsum von Rauschmitteln und die oft mit der Beschaffung
einhergehende Kriminalität bildet einen gefährlichen
Nährboden für Gewalt und sexuellen Missbrauch. Und somit, wie so oft, den Weg
in die Infektion mit AIDS.
Eine My
Future Is My Choice
Schulung besteht aus insgesamt 10 zweistündigen Einheiten die parallel und auf
freiwilliger Basis zum normalen Unterricht geführt werden.
Hier lernen
die Jugendlichen Dinge kritisch zu betrachten und natürlich, wie wichtig es ist
die Entscheidungen für ihre Zukunft selber zu treffen.
Gemeinsam
mit einem Fernsehteam von NBC besuche
ich eine Schulklasse in Windhoek und nehme an einer
„My Future Is My Choice“ Klasse
teil. Dabei unterhalte ich mich mit den Jugendlichen und den Lehrern.
Ich stelle
mich vor und erzähle den Jugendlichen von meiner Vision und meinem Traum die
Welt mit dem Motorrad zu umrunden und ihnen einige meiner Erfahrungen von der
Reise auf ihrem Weg ins Leben mitzugeben.
Ich erzähle
ihnen auch vom 10-fachen Ironman auf Hawaii und wie
hart der Weg war, nach 13 Tagen über die Ziellinie dieses Bewerbes zu gehen und
wie wichtig es war nicht schwach zu werden und das eigene Ziel nicht
aufzugeben.
Wir setzen
uns alle zusammen und jeder erzählt in wenig aus seinem Leben und spricht über
eigene Ziele und Träume. Wir sprechen auch über die Dinge, die andere um uns
herum, von uns erwarten.
Oft kommt
es vor, dass das diese Dinge nicht den optimalen Weg für einen selber
darstellen. Gerade dann ist es wichtig dem eigenen Gefühl zu folgen und seinen
für sich erkannten Weg für die Zukunft nicht aufzugeben. Der Lehrer bringt
einige Beispiele dafür und bald ist die ganze Klasse begeistert noch mehr
solche Begebenheiten zu schildern.
Wer zum
Beispiel beim Ausgehen keinen Alkohol
trinkt ist kein Feigling sonder mutig genug nein zu sagen und wer über die
Gefahren von HIV bescheid weiß und dementsprechend handelt ist ein
verantwortungsbewusster Mensch, der sehr stark ist.
Jeder der
seine Zukunft selber in die Hand nimmt ist ein Held.
Dazu
ermutige ich die Jugendlichen und wir verbringen einen tollen Nachmittag
miteinander.
Viele
jedoch haben nie die Möglichkeit die Schule zu besuchen und an Dingen wie
Windows of Hope oder My Future Is My Choice teilzunehmen.
Besonders
schlimm hat es Victor Mateus und seine Familie
erwischt. Victor ist der älteste Sohn und einer von den 167.000 Aidsweisen, der
als Minderjähriger seine Eltern verloren hat. Kurz nach seinem 17. Geburtstag
verstarb sein Vater an AIDS. Wenige Jahre später seine Mutter. Ohne fertige
Schulausbildung und Einkommen, fast noch selber ein Kind, musste er die Rolle
des Familienoberhauptes übernehmen. Ihm blieb nichts anderes über, als sich
alleine um seine 4 jüngeren Brüder zu kümmern.
Die
schweren Regenfälle des Herbstes ließen die kleine elterliche Farm in einem
schrecklichen Zustand zurück. Die Lehmhütten waren teilweise zerstört und es
gab weder Nahrung noch Wasserversorgung. Victor musste alles aus eigener Kraft
neu aufbauen.
Trotz der
unfassbaren Hoffnungslosigkeit der Situation arbeitete er rund um die Uhr daran
das Unmögliche möglich zu machen und gewährleistete für seine Geschwister ein
einigermaßen gesichertes Heranwachsen. Nun sind die Hütten neu gemauert und kleine Obstbäume ranken ihre Äste ins Sonnenlicht.
Ich besuche
die junge Familie auf ihrer kleinen Farm und spreche mit ihnen über ihre
Zukunft. Durch die Hilfe von UNICEF bekommt die Familie regelmäßig
Unterstützung durch Carepakete. Am wichtigsten ist es jedoch für Victor, Elias,
Johannes und Petrus Ausbildungschancen zu schaffen. Durch die
überlebenswichtige Arbeit an der kleinen Farm besuchen nur zwei der Kinder die
Schule.
Victor
selber würde gerne eine Ausbildung als Maurer machen. UNICEF ist dabei für ihn
ein Ausbildungsmodell zu schaffen, das seine Ausbildungsziele neben seiner
Rolle als Familienvater möglich macht.
Victor und
seine Familie sind ein Beispiel dafür, wie wichtig unsere Hilfe ist und wie
viele sie im Einzelnen bewirken kann.
Zum
Abschluss besuche ich die Polizei von Windhoek und
sehe wohl das Berührendste Projekt von allen. Eine „Woman and child protection unit“.
Inspektor Haraes empfängt uns und stellt uns die Aufgaben sowie die
Hintergründe dieses 1993 unter der Mithilfe von UNICEF ins Leben gerufenen
Projekts vor.
Früher gab
es keine gesonderte Behandlung für Frauen die Opfer von Gewaltverbrechen
wurden, so erzählt uns Inspektor Haraes. Ihre Fälle
wurden so wie alle anderen einfach auf der Polizeistation aufgenommen. In
vielen Fällen mussten die geschändeten Frauen bei der Aufnahme ihres Falles in
einer Warteschlange und teilweise in der Gegenwart von Männern, von ihren Peinigungen
berichten.
Diesen
menschenverachtenden Umständen wurde mit den „Protection
units“ ein Ende gesetzt.
Zum
Großteil weibliche Polizeibeamte wurden speziell ausgebildet um in Fällen
akuter Krisenintervention den Opfer psychologisch beistehen zu können.
Zusätzlich
gibt es in jedem Hilfszentrum auch einen Arzt um die oftmals notwendige
medizinische Versorgung sofort beginnen zu können. In weiterer Folge, besonders
wenn eine stationäre Aufnahme notwendig wird, kümmern sich Sozialarbeiter um
die Opfer.
Das ist
enorm wichtig, denn viele der Frauen kehren nach wenigen Tagen aus Angst zu
ihren Peinigern zurück und wiederrufen die Anzeige,
um nicht ohne Hab und Gut auf der Strasse zu landen.
Oft
erkennen die Frauen erst durch die Betreuung im Zentrum, dass sie die Opfer
sind, die geschützt werden müssen und, dass das nicht möglich wird wenn sie
sich erneut der Gefahr aussetzen.
Allein in Windhoek werden monatlich rund 80 Fälle von Gewalt gegen
Kinder und Frauen zur Anzeige gebracht.
Woran es
den insgesamt 14 Schutzzentren im Moment dringend fehlt, ist meist an einfachen
und banalen Dingen.
Für die
Frauen, die oft während einiger Tage in Betreuung bleiben müssen, steht in den
Zentren oft keinerlei Bekleidung zur Verfügung.
Auch für
die Kinder gibt es kaum Spielzeug oder sonst irgendeine Ablenkung von ihren oft
schlimmen Erinnerungen.
Wir können
hier mit sehr wenig helfen, werfen wir einfach unsere alten Sachen bewusster
weg. Ein Nachthemd kann den Unterschied ausmachen, besonders dann wenn es am
dringendsten gebraucht wird und ein altes Spielzeugauto zaubert oft spielend
leicht ein Lächeln ins Gesicht eines Kindes.
Helfen wir gemeinsam, zögern wir
nicht! Gemeinsam für die Kinder und gemeinsam gegen AIDS und Gewalt!