Exkurs Von Räubern und Banditen – Moderne
Wegelagerer am Straßenrand
Im wesentlichen bedeutet eine Reise um die Welt auf Menschen
zuzugehen sowie Lebensraum und Lebensweisen mit ihnen zu teilen. Unterwegs und
besonders dann, wenn wir viel Zeit auf der Strasse verbringen kann es jedoch
passieren, dass wir auch mit einer anderen Kultur oder besser Subkultur
konfrontiert werden. Der Unterwelt.
Unzählige
Beobachtungen und Erlebnisse am Straßenrand haben mich dazu bewogen mich mit
dem Thema Kriminalität und im speziellen Kriminalität auf Reisen etwas näher
auseinander zusetzen. Worüber ich schreibe beruht auf eigenen Erfahrungen und
ich möchte dazu bemerken, dass ich in allen Länder die ich besuchte von den
Menschen freundlich empfangen wurde, es aber leider keinen Platz gibt der frei
von Kriminalität ist.
Es wäre
sehr in meinem Sinne wenn einige der von mir genannten Denkanstöße dem einen
oder anderen Leser/der einen oder anderen Leserin bei einem ähnlichen, eigenen
Projekt hilfreich sein können und so dazu beitragen Verbrechen zu vermeiden.
Jedes
Verbrechen oder besser gesagt jeder Versuch einer Person etwas gegen ihren
eigenen Willen anzutun beruht auf einem erschreckend einfachen Prinzip und kann
nur dann, bzw. wird dann passieren wenn drei Grundumstände gleichzeitig
eintreten.
Erstens, es muss ein für den Täter
interessantes Opfer/Verbrechensziel vorhanden sein, zweitens, es muss
die Möglichkeit bestehen dieses Opfer/Verbrechensziel kriminell zu erreichen
und drittens muss der Täter den Entschluss fassen sein Verbrechen auch
zu verüben.
Einfach
verständlich wird dieses Prinzip wenn man sich ein sogenanntes „Feuer oder
Brandschutzdreieck“ vorstellt. Um ein Feuer zu entfachen müssen immer drei
Dinge vorhanden sein, erstens Brennstoff, zweitens Sauerstoff und drittens
Hitze. Fehlt eines dieser Elemente kann kein Brand entstehen bzw. entfernt man
eines davon löscht man ein Feuer aus.
Genau nach
diesem Prinzip werden wir, oder werden wir nicht - zu Opfern von Verbrechen. Diebe/Einbrecher/Vergewaltiger/Räuber
tun nichts anderes als nach Gelegenheiten zu suchen in denen sie ihre
ausgewählten Opfer oder Verbrechensziele in einer für sie günstigen Lage
finden. Ist dieser Punkt erreicht, sind zwei Teile des Dreiecks vollständig und
der dritte Teil, der Entschluss des Täters das Verbrechen tatsächlich zu
begehen folgt unmittelbar.
Dann ist es
zu spät.
Die
Prävention eines Verbrechens kann also nur in den ersten beiden Schenkeln des
Dreiecks liegen. Im sogenannten „kriminellen Interview“ . Ein Verbrecher sucht
sich sein Opfer/Ziel in der Regel sorgfältig aus. Je sorgfältiger er diesen
Prozess durchführen kann, desto größer ist leider auch seine Erfolgschance.
Dies zu erkennen ist essentiell.
Im Prinzip
werden wir im täglichen Leben genauso wie auf Reisen immer wieder zu Opfern von
solchen Interviews, meist bleiben wir aber durch die fehlende Möglichkeit für
den Verbrecher uns zu erreichen bzw. das mangelnde Interesse ein Verbrechen an
uns zu verüben verschont.
Ein
einfaches Beispiel. Wenn ich in der Nacht betrunken durch eine menschenleere
Vorstadt einer beliebigen Großstadt wanke schaffe ich für eine Straßengang die
Möglichkeit mich zu überfallen. Wenn ich dazu noch meinen Laptop unter dem Arm
trage gebe ich ihnen ein lohnendes Verbrechensziel und kann mit Sicherheit
damit rechnen ausgeraubt zu werden.
Wenn ich
jedoch durch die gleiche menschenleere Vorstadt im alten Jogginganzug ein
Lauftraining absolviere wird mich die Gang wahrscheinlich ignorieren bzw. werde
ich kein Interesse wecken und wenn ich die menschenleere Vorstadt überhaupt
meide, werde ich vorrausichtlich gar nicht mit der Gang in Berührung kommen.
Im großen
und ganzen bin ich der Meinung, dass man auf einer Reise nicht unbedingt
größeren Gefahren ausgesetzt sein muss Opfer eines Verbrechens zu werden, es
durch die bloße Anwesenheit an bestimmten Orten aber sein kann.
Es kann und
wird vorkommen, dass man Länder besucht wo alleine die europäische Herkunft
bzw. die Hautfarbe als Beweis für gewissen Reichtum angesehen werden.
Wenn man
noch dazu ein Motorrad bzw. teure Ausrüstung und eine Kreditkarte besitzt, dann
ist man für einen potentiellen Verbrecher eindeutig ein lohnendes Ziel.
Der
wesentliche Unterschied liegt darin, dass man auf Reisen mitunter mit anderen
Dingen das Interesse eines möglichen Täters weckt als im gewohnten Lebensraum
daheim.
Setzt man
sich mit der Kultur sowie mit den sozialen Umständen der Menschen des
betreffenden Reiselandes auseinander kann man gewisse Verhaltensweisen
vermeiden bzw. Reaktionen der Menschen vorwegnehmen.
Als ich
durch Nigeria reiste war mir bewusst, dass ich durch mein Motorrad definitiv
ein gewisses kriminelles Interesse wecken würde. Ein Schenkel des Dreiecks war
damit also ständig gegeben.
Wichtig war
es nun für einen potentiellen Täter keine Möglichkeit entstehen zu lassen die
gut genug war ihn zu einem Entschluss zu bewegen.
Einmal
gingen wir in Nigeria des Nachts nur ein paar Schritte vors Hotel und drei
Männer forderten unsere Motorräder von uns. In diesem Moment waren bereits 2
Schenkel des Dreiecks gegeben und einzig ein Gespräch hielt sie davon ab ihr
Vorhaben auch durchzuführen. Wir erklärten ihnen freundlich, dass sie weder
Motorrad fahren können, noch Geld für Benzin haben und mit Sicherheit ohne
Papiere und auf „geliehenen“ Motorrädern durch keinen der Checkpoints am
Ortseingang kommen würden.
Ich halte
es für wichtig zu verstehen, dass das Entstehen eines Verbrechens stets ein
dynamischer Austausch von Informationen zwischen Täter und Opfer ist. Hierbei
arbeiten Täter meist nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes, erscheint es
einfach und relativ risikolos eine Tat zu begehen werden sie auch den
Entschluss fassen zuzuschlagen.
Vermittelt
ihnen jedoch das Opfer, dass es eigentlich kein Opfer ist sondern ihr Vorhaben
längst erkannt hat, dann lassen sie in der Regel ab.
Ein
weiteres Beispiel. Eine Frau wird in einer Disko von einem Mann verfolgt.
Verlässt sie genervt die Disko und geht über den dunklen Parkplatz zum Auto
bringt sie sich in Gefahr. Weist sie jedoch andere Leute auf ihren Verfolger
hin wird die Situation für ihn unangenehmer als für sie.
Viele
Verbrecher verlassen sich auf unser sogenanntes soziales Verständnis und
glauben dementsprechend unser Verhalten vorhersagen zu können. Wenn jemand mit
uns redet dann schenken wir ihm in der Regel auch unsere ganze Aufmerksamkeit,
wenn jemand um Hilfe schreit, dann nehmen wir an es geht im schlecht oder wenn
jemand am Straßenrand winkt bleiben wir stehen. Genau diese und unzählige
andere Beispiele dieser Art sind Grundlagen des sozialen Zusammenlebens in
unserer Gesellschaft. Für einen potentiellen Täter schaffen sie aber genau die
Voraussetzungen die notwendig sind um uns zu Opfern werden zu lassen.
Outlaws
oder gesetzlich außerhalb der Norm stehende Randgruppen der Gesellschaft wissen
meist genau nach welchen Kriterien wir handeln und denken, wir wissen aber
leider viel zu selten nach welchen Richtlinien sie operieren. Als einfaches
Beispiel sei hier das Heranwachsen eines Straßenkriminellen genannt. 10-15
Jahre ihres Lebens verbringen diese Jugendlichen auf der Strasse und tun nichts
anderes als die andere Seite der Gesellschaft zu beobachten und zu lernen wie
sie reagiert. Wir finden diese Jugendlichen in den meisten Großstädten der
Welt, sei es beim Taschendiebstahl oder Verkauf von Drogen. Ist der junge
Kriminelle einmal herangewachsen hat er über viele Jahre ein umfangreiches
einschlägiges Wissen gesammelt und ist uns auf seinem Gebiet haushoch
überlegen.
Erst wenn
wir lernen diese Denkweisen zu verstehen, haben wir es in der Hand uns
wirkungsvoll vor diesen Menschen zu schützen.
Im Prinzip
kann man diesen Vorgang des Selbstschutzes leicht durch „Ich zeige dir was
du vorhast indem ich etwas dagegen tue ehe du die Chance dazu bekommst“
beschreiben.
Wenn ich
alleine unterwegs bin und mir Leute in Gesprächen zu aufdringlich und
verdächtig vorkommen, bzw. ich sehe, dass sie die Möglichkeit hätten mir etwas
wegzunehmen oder mich zu verfolgen dann frage ich sie meist sehr höfflich ob
ich vielleicht ein Foto von ihrem tollen Auto/Lastwagen oder der netten
Jacke/Mütze nehmen darf. Die, die dann schnell weg müssen sind meistens nicht
die Guten. So wie kürzlich die zwei Herren an einer Tankstelle in Brasilien.
Einer versuchte mir freudig zu erzählen, dass er mich von wo kennt um mich
abzulenken während der andere nur überprüfen wollte ob mein GPS auch wirklich
abgesperrt war.
Prinzipiell
sind unser Verstand und unser Gefühl die besten Mittel ein Verbrechen zu
vermeiden.
Es gibt
keinerlei Verpflichtung jemanden gegenüber höfflich und sozial konform zu
reagieren wenn er uns gefühlsmäßig offensichtlich verdächtig erscheint!
Vielmehr ist es wichtig die mögliche Gefahr einer Situation schnell zu erkennen
und durch eigene Handlungen zu vermeiden! Es ist jederzeit und ohne jemanden zu
beleidigen möglich eine Unterhaltung abzubrechen weil ja jemand wo auf einen
wartet, man kann ein angebotenes offenes Getränk von einer wenig
vertrauenserweckenden Person immer versehentlich umstoßen und wenn es sein muss
vibriert das Handy gerade und drinnen ist der Empfang schlecht.
Ich halte
es für extrem wichtig, dass man sich unterwegs nie von anderen in
Situationen bringen lässt aus denen man
nicht selber wieder aussteigen kann bzw. in denen man sich nicht wohl fühlt.
Umgekehrt würden wir auch nie jemanden in so eine Situation bringen wenn er/sie
beispielsweise in unserer Stadt zu Gast wäre.
Und darin
liegt genau der Unterschied! Die wirklich freundlichen und hilfsbereiten
Menschen denen ich bis jetzt begegnet bin hatten immer genau dieses Feingefühl
zu wissen was mir angenehm war und ein Krimineller, traue ich mich zu
behaupten, hat es in 99% aller Fälle nicht!
Ich denke
hier an einen Mauretanischen Autoschieber in Bamako. Mit einem Joint in seiner Hand und am Steuer
eines Audi Q7 wollte er mich unbedingt ins Bordell mitnehmen.
Es ist
nicht immer so offensichtlich aber in der Regel haben Kriminelle eine Lebensart
und/oder Ausdrucksweise die sich deutlich von unserer Komfortzone
unterscheidet. Das ist auch genau der Punkt in dem wir ihnen überlegen sind
bzw. woran wir sie erkennen können und sei es auch nur unterbewusst! Unser Gefühl lügt hier meistens nicht.