Von den
vielen ansprechenden Plätzen dieser Welt, welche man im Laufe einer Reise um
den Globus zu sehen bekommt, gibt es einige die einem gut gefallen oder faszinieren
und wieder andere die einen nie mehr loslassen. So geht es wohl den meisten von
uns, die sich auf Reisen fern der Heimat begeben und dieser Umstand ist in
keiner Weise verwunderlich. Das menschliche Gemüt kann auf seine Art und Weise
recht sentimental sein und obwohl es oft einen gegensätzlichen Eindruck zu
erwecken vermag, auch erstaunlich einfach gestrickt. An Orten, an denen es
einem gefällt, erfreut man sich des Lebens ganz allgemein und widmet dem
Moment, sowie den kleinen Geschenken des Alltags etwas mehr Beachtung.
Als
Weltreisender mit dem Motorrad kommt man darüber hinaus in den Genuss solche
Plätze aus eigener Kraft zu erfahren und für sich selbst neu zu entdecken.
Dabei
entwickelt man mitunter ein besonderes Verhältnis zu ihnen. So wie ich zu Süd
Afrika...
Die
jüngste Demokratie der Welt existiert in ihrer heutigen Form seit 1994. Damals beendete die Wahl
Nelson Mandelas zum Präsidenten, die seit der frühen 70er Jahre andauernde
Politik der Apartheid Ära und das neue,
demokratische Süd Afrika feierte seine Gründung.
Ursprünglich
war das heutige Süd Afrika von den San ( Buschmännern)
und Khoi-Khoi (Hottentotten) besiedelt. Im elften
Jahrhundert begann vom Nordosten her der Zuzug der Bantu Stämme, die sich vom
äquatorialen Raum kommend, langsam entlang der Ostküste anzusiedeln begannen.
Mitte des 15 Jahrhunderts hatten sie bereits fast die gesamte Osthälfte des
Subkontinents besiedelt.
Während der
Portugiesische Entdecker Vasco da Gama das Kap von
Afrika bereits 1498 umrundete und dabei den Seeweg nach Indien entdeckte,
ließen sich erst 1652 die ersten Europäischen Siedler am Kap der guten Hoffnung
nieder. Unter Jan van Riebeck gründeten sie eine
kleine Versorgungsstation für Schiffe der Dutch East India Company, die auf ihrem Weg nach Indien Wasser und
Lebensmittel tankten.
Aus dieser
Station wurde bald eine Kolonie mit dem Namen Kaapstadt,
die Stadt am Kap. Die Siedler kamen vorwiegend aus dem Zentraleuropäischen Raum und entwickelten bald ihre eigene
Sprache. Afrikaans war ursprünglich eine Mischung aus Holländisch, Deutsch und
Englisch, doch im Laufe der Jahrhunderte kamen, mitunter auch durch die
importierten Sklaven, immer mehr Afrikanische und fremde Ausdrücke dazu.
Durch die
neu gegründete Industrie erfuhr die Kolonie bald einen starken Aufschwung und
zu jener Zeit wurden immer mehr Sklaven aus Westafrika, aber auch aus Indien
importiert. Der Grundriss im unteren Bild zeigt die 1679 erbaute Slavelodge von Cape Town, im Prinzip ein Gefängnis, das um
die 300 Sklaven beherbergte.
Im Laufe
der nächsten 150 Jahre kamen mehr Siedler nach Süd Afrika, doch besonders am
Kap war der Siedlungsraum beschränkt. Die Kolonien breiten sich darauf weiter
nach Osten aus und drangen tief in den Lebensraum der Bantu Stämme vor. Im ersten
Bantu Krieg 1779 wurden die Farmer, auf Afrikaans Buren genannt, angegriffen
und von den Kriegern der Xhosa aufgehalten.
Weitere
Expeditionen der Buren kamen vorerst nicht zu Stande. Die Briten besetzten das
Kap 1806 und unter ihrer Kontrolle wurde 1834 auch die Sklaverei abgeschafft.
Die Buren
zogen sich darauf zurück gegen Norden und gründeten die Freistaaten Orange and Transvaal. Frieden war dadurch natürlich keineswegs
hergestellt.
Als 1867
Diamantenvorkommen in Kimberly und 1886 Gold bei Johannesburg entdeckt wurden,
verstärkten sich die Spannungen zwischen Engländern und Buren immer mehr und
führten schließlich zu dem, von 1899 bis 1902 andauernden, Anglo
– Buren Krieg.
Die Briten
verfolgten während der fast zwei Jahre andauernden Kämpfe eine Politik der
verbrannten Erde und auf Seiten der Siedler kamen mehr als
26 000
Frauen und Kinder ums Leben, teilweise in den ersten Konzentrationslagern der
Welt.
1910 wurde
das Vereinigte Süd Afrika ausgerufen und 1948 kam mit breiter Mehrheit die
African National Party an die Macht.
Nicht
Weißen war es verboten am politischen und wirtschaftlichen Geschehen
teilzunehmen und die großteils menschenrechtswidrigen Gesetze wurden mit
grausamer Härte durchgesetzt.
1960 kam es
zum Massaker von Sharpville und 1976 erschossen
Ordnungskräfte schwarze Schulkinder in Soweto.
Anfang der
60er Jahre wurden viele, fast ausschließlich schwarze, Oppositionelle und
Freiheitskämpfer als Hochverräter verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen auf
Robben Island verurteilt. Unter ihnen auch Nelson Mandela.
Zu Beginn
der 70er Jahre schuf die Regierung dann das sogenannten
Homeland Gesetz, wohl das menschenrechtsverachtendste
der Apartheid Ära.
Gesetzlich
wurden damit die als „Black Homelands“ ausgerufenen Gebiete zu eigenständigen Staaten
erklärt und Schwarze mussten, von da an, dort leben.
In
Wirklichkeit hatten diese Homelands aber mit eigenständigen Staaten wenig zu
tun, vielmehr wiesen sie den Charakter von Ghettos auf. Um ihrer Arbeit wie
gewohnt nachzugehen, mussten die Einwohner die Homelands verlassen und als
Ausländer in Süd Afrika einreisen.
Damit
wurden die Schwarzen Einwohner de facto zu Gastarbeitern in ihrem eigenen Land
und da sie auf diese Weise keinerlei politische Rechte besaßen, konnten sie
nach Gutdünken der Behörden deportiert werden.
Die
Vereinten Nationen belegten Süd Afrika darauf hin mit Sanktionen und das Auge
der Weltöffentlichkeit war mit Besorgnis auf die Entwicklungen gerichtet.
Die Wende
kam dann 1989 mit Präsident de Klerk und seinem Programm zur Auflösung der
Apartheid.
Einer
der wichtigsten Schritte davon war die Begnadigung der politischen Häftlinge am
11 Februar 1990. Unter ihnen war auch Nelson Mandela, der 1994 zum Präsidenten
wurde.
Als am
26. April 1994 die neue Republik Süd Afrika ausgerufen wurde, blickte die Welt teils mit
hoffnungsvoller Spannung, teils aber auch mit Besorgnis auf die Geburtsstunde
des neuen Staates. Zu viel Schlimmes war in den letzten Jahrzehnten passiert
und die Frage war, ob es Nelson Mandela gelingen würde den Staat nahtlos vom
alten politischen System zu übernehmen und dabei friedlich in die gemeinsame
Freiheit und Unabhängigkeit zu führen. In zu vielen anderen Staaten Afrikas
hatte die Unabhängigkeit zu gewaltsamen Machtübernahmen und verheerenden
Bürgerkriegen geführt.
In der um
Mitternacht abgehaltenen Zeremonie gelang es Süd Afrika auf eindrucksvolle Art
und Weise die ganze Welt zu verblüffen. Feierlich und respektvoll wurde die
alte Süd Afrikanische Flagge eingeholt und dazu zum letzten Mal die alte
Nationalhymne gesungen.
Anschließend
wurde die neue Flagge gehisst und Süd Afrikas neue Bundeshymne, Nkosi Sikelele Africa (Gott schütze Afrika) zum ersten Mal offiziell
angestimmt.
Nelson
Mandela mahnte in seiner darauf folgenden Rede dazu wie wichtig es sei die Sünden
der Vergangenheit zu vergeben, aber sie gleichzeitig als mahnendes Beispiel
nicht zu vergessen. Damit schuf er die friedliche Grundlage für einen neuen
Staat, der in seiner Entwicklung weltweit einzigartig ist.
Von da an
hat seine Vision beeindruckend Geschichte geschrieben. Heute befindet sich Süd
Afrika unter den 25 stärksten Industrienationen der Welt und erwirtschaftet 25
Prozent des gesamten Afrikanischen Wirtschaftsvolumens. Das Land ist reich an
Rohstoffen und gilt als der weltgrößte Zulieferer von Aluminium Silikaten,
Platin und Gold.
Durch die
strategisch günstige Lage zwischen zwei Weltmeeren, stellt Süd Afrika zudem
einen bedeutenden Schnittpunkt im Seehandel dar und ist für viele Länder
Europas, Asiens und Nordamerikas wichtiger Lieferant für Uran und Chrom.
Internationale
Investitionen trugen ständig zum Wachstum des Exportvolumens bei und die Regierung verfolgte vorrangig
Maßnahmen um ideale Rahmenbedingungen für eine globale Wirtschaftorientierung
zu schaffen.
Diese
Maßnahmen schufen auf der einen Seite sehr schnell, relativ verlässliche
Einnamequellen für den jungen Staat, sie brachten aber auch eine Reihe negativer Auswirkungen.
Durch die
fast vollständige Liberalisierung des Handels wurde Süd Afrika, als kaufkräftige und aufstrebende
Wirtschaftsnation, zu einem attraktiven
Absatzmarkt für Anbieter aus Fernost. Die darauf folgende, relativ
unkontrollierte Einfuhr von Billigprodukten überschwemmte den Markt und viele
der heimischen Güter verloren ihre Konkurrenzfähigkeit. Das wiederum führte zu einem Sterben der heimischen
Produktion, gekoppelt mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen.
Momentan
beträgt die Arbeitslosenrate inakzeptable 40 Prozent und die damit
einhergehende Armut und Landflucht in die Großstädte stellt, neben den hohen Belastungen
für das Gesundheits- und Sozialsystem, auch ein größer werdendes
sicherheitstechnisches Problem dar. Die Kriminalität ist weiterhin zu hoch.
Das Land
wird auch noch in den nächsten Jahren einen rauen Kurs der Reformpolitik vor
sich haben, der allerdings durch richtige Entscheidungen zu meistern sein wird.
In erster Linie wird es entscheidend sein, die nationale Wirtschaft mit ihren
eigenen Produkten wieder verstärkt ins Rennen zu bringen. Die
Grundvoraussetzungen dazu sind absolut gegeben. Süd Afrika besitzt neben den
für die Industrie notwendigen Rohstoffen auch das Know
How, diese am eigenen Sektor einzusetzen.
Anders als
beispielsweise Europa, Nord Amerika und immer mehr auch China, ist Süd Afrikas
Wirtschaft relativ unabhängig. Der Staat könnte durch geschickte Import- und
Exportregelungen den eigenen Markt wieder verstärkt beleben, auf diese Weise
der Industrie zu einem Aufschwung verhelfen und schließlich neue Arbeitsplätze
schaffen.
Zusätzlich
wird es wichtig sein die internationale Orientierung nicht aufzugeben und die
Rahmenbedingungen für ausländische Investments weiterhin zu verbessern. Die
Fußballweltmeisterschaften 2010 sind ein guter Schritt in diese Richtung und
werden maßgeblich dazu beitragen den Bekanntheitsgrad des Staates als
Tourismusdestination und Wirtschaftsstandort zu erhöhen.
Setzt Süd
Afrika seine Reformpolitik fort und gelingt es dem Staat weiterhin die
Einnahmen aus internationalen Investitionen und Rohstoffexportgeschäften
sinnvoll zu investieren, und so die Rahmenbedingungen für heimische Unternehmen
und Arbeitskräfte zu verbessern, hat das Land das Potential zu einem weltweiten
Model für positiv gesteuerte Globalisierungspolitik und postmoderne
Re-Industrialisierung zu werden.
Worin
jedoch, meiner Meinung nach, das größte Potential der Regenbogennation liegt, ist die Art und Weise
mit der sich viele Bürger mit ihrer jungen Republik identifizieren.
Ein
Großteil der jungen Leute, relativ unabhängig von Bildungsniveau und Hautfarbe,
empfindet es als großes Privileg in einem Staat der politischen Freiheit und
wirtschaftlichen Möglichkeiten zu leben, für dessen Entstehung Menschen wie
Nelson Mandela lange gekämpft und schwer gelitten hatten. Zusätzlich sind sehr
viele Jugendliche aktiv darum bemüht die gemeinsame Zukunft des Landes
mitzugestalten und engagieren sich in Projekten, wie zum Beispiel zur
Eindämmung von Kriminalität oder Aufklärung über die Gefahren von HIV.
Rein
subjektiv gesehen, halte ich das für eine ausgezeichnete Entwicklungsbasis für
die Zukunft, und es bleibt zu hoffen, dass auch die politischen Entscheidungsträger Süd Afrikas dieses
unglaublich kostbare Potential Mandelas
Erbes erkennen und pflegen, bevor es vielleicht für immer verloren geht.
Dass es
keinesfalls selbstverständlich ist in einer Demokratie zu leben, wird deutlich wenn man
einen Blick über die Grenze in das benachbarte Simbabwe wirft. Die nach Ostern
abgehaltenen „demokratischen“ Präsidentenwahlen sind freilich noch nicht
ausgezählt und mittlerweile erhärtet sich der Verdacht, dass rund 40 000
Stimmen für Robert Mugabe von bereits Verstorbenen stammen dürften! Außerdem ließ Altdespot Mugabe
kurzerhand den aussichtsreichsten Oppositionskandidaten verhaften, und stellte
ihn unter die Anklage, ein Staatsfeind
und Landesverräter zu sein. Die für Ende Juni geplanten demokratischen
Neuwahlen dürften daher nie zu Stande kommen.
Neben den
vielen Gesprächen mit Menschen verschiedener Religionen und Hautfarben, die mir
ihre Zeit schenkten und mich an ihrem Leben teilhaben ließen, und ohne deren
freundliche Unterstützung ich nie tiefere Einblicke in das Land jenseits von
Afrika bekommen hätte, widmete ich mich selbstverständlich auch der Erforschung
der landschaftlichen Schönheiten des Subkontinents.
Während
sich das Reisen mit dem Motorrad ausgezeichnet dazu eignet ganze Kontinente zu erforschen, so
erfolgt die wohl ursprünglichste und intimste Art und Weise ein Land kennen zu
lernen immer noch per pedes apostolorum, also
zu Fuß.
Die
niedrige Geschwindigkeit macht es beinahe notwendig sich unmittelbar mit der
Umgebung auseinander zusetzen und jede kurze Rast bietet sich dazu an näher auf die Umwelt einzugehen.
Selbstverständlich
fällt Laufen auch unter diese Kategorie und besonders die Disziplin des
Langstreckenlaufs eignet sich hervorragend um Plätze zu erkunden und näher zu
erforschen.
Ich habe
dies zum Anlass genommen, neben meinen Ausfahrten mit dem Motorrad, auch an ein
paar ausgewählten Laufveranstaltungen in Süd Afrika teilzunehmen. Dadurch kam
ich in den Genuss mein tägliches Lauftraining auf die mitunter schönsten
Strecken des Landes verlagern zu können.
Sowohl
bei Sonne...
als auch
bei Regen...
Von Cape
Town aus blieb es mir und meiner jeweiligen Laune überlassen, welchen der
umliegenden Gipfel ich bezwingen wollte.
Zur Auswahl
stand der alles überragende Tafelberg mit seinen zerklüfteten Schluchten und
Anstiegen, die im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubende Bergläufe
versprachen, sowie der etwas kleinere Lionshead, der
gleich neben dem Tablemountain frech in die
Landschaft ragt und einen geradezu herausfordert, bereits vor dem Frühstück
hinaufzulaufen und einen morgendlichen Blick über die noch verschlafene
Metropole zu werfen.
Wie auch
immer ich mich entschied, die Laufausflüge wurden meist zu unvergesslichen
Erlebnissen und oft plante ich während des Morgentrainings schon meinen
Abendlauf.
Solcherart
motiviert ließ ich es mir natürlich nicht nehmen an Cape Towns Hausmarathon
teilzunehmen. Der Two Oceans
Marathon ist nicht nur laut Veranstalter einer der schönsten Ultraläufe der
Welt. Auf einer Streckenlänge von 56 Kilometern läuft man vom Indischen Ozean
zum Atlantischen und überquert dabei die malerischen Bergstrassen der Umgebung.
Insgesamt
weist die Strecke etwas mehr als 600 Höhenmeter auf und wird unter der Sonne
Süd Afrikas zu einem schweißtreibenden Lauferlebnis.
Ich
bewältigte den Lauf dann in genau 4 Stunden und 30 Minuten und war mit einem
durchgehenden Kilometerschnitt von unter 5 Minuten sehr zufrieden.
Two Oceans
Finish
Natürlich
stellte ich mich auch
Süd Afrikas bekanntestem und härtestem Rennen, dem Comrades
Marathon.
Der Comrades führt über 89 Kilometer von Durban
nach Pietermaritzburg und wird jährlich abwechselnd
entweder als „up run“ oder als „down run“ gelaufen. Die Strecke bleibt zwar immer gleich lang,
die ansteigenden Höhenmeter unterscheiden sich jedoch sehr.
Ich
hatte natürlich das spezielle Vergnügen meinen ersten Comrades
Marathon als „up run“ zu bestreiten und vom am Meer
liegenden Durban hinauf nach Pietermaritzburg
zu laufen. Der Streckenverlauf führt zunächst durch die hügelige Landschaft des Zululandes, die den
bezeichnenden Namen „1000 Hills“ trägt und endet, nach etwas mehr als zwei
Marathondistanzen sowie 1650 absolvierten Höhenmetern, schließlich in der
hübschen Kleinstadt von Pietermaritzburg. Aufgrund
der vielen Kurven ist die Strasse sonst natürlich auch eine beliebte
Motorradstrecke.
Obwohl
ich mein Motorrad selbstverständlich nicht zur Hilfe nahm finishte
ich den Bewerb in 8 Stunden und war mit einem Schnitt von 5 :
30 Minuten pro Kilometer recht glücklich.
Comrades Finish
Neben
unzähligen schönen Momenten konfrontiert einen jede Reise natürlich genauso mit weniger
freundlichen Dingen....so wie an jenem Tag im
Mai.
Das Wetter
in Cape Town war angenehm warm und überraschend windstill für einen Herbsttag.
Ich kam gerade von meinem morgendlichen Trainingslauf zurück und meine Stimmung
war perfekt. Ein ruhiges Wochenende lag vor mir und ich hatte an jenem Freitag
im Wesentlichen noch zwei Dinge vor. Zuerst wollte ich gemütlich an der Waterfront einkaufen gehen und sehen, ob ich nicht
vielleicht eine Reserve Batterie für meine Digitalkamera bekommen könnte und
später, gegen Abend, hatte ich vor nach Bluebergstrand
zu fahren um mit meinen Freunden eine kleine Barbeque
Party zu veranstalten.
Da
klingelte das Telefon. Es war eine Freundin, die sich mit anderen freiwilligen
Helfern gerade in einem Gemeinschaftszentrum am Rande eines Townships
eingefunden hatte um den vertriebenen und flüchtenden Menschen, die dort
verzweifelt Zuflucht suchten, zu helfen.
Da ich
Französisch spreche brauchten sie mich dringend als Übersetzer und zu dem
Zeitpunkt hatten sich bereits mehr als 400 Flüchtlinge in der kleinen Halle
eingefunden. Viele davon waren politische Flüchtlinge aus dem Kongo und
sprachen daher kaum ein Wort Englisch.
Es war also
das passiert, was hier in Cape Town noch gestern kaum jemand für möglich
gehalten hatte. Die Welle von gewaltsamen Attacken gegen Ausländer hatte sich
von den Townships in Johannesburg innerhalb einer Woche über fast das ganze
Land bis ans Kap ausgebreitet.
Bis
vorgestern war Cape Town das friedvolle Model für das Zusammenleben von
Menschen aller Kulturen und Religionen gewesen und heute fliehen die Menschen
zu Tausenden aus den Townships der ganzen Stadt und suchen Schutz vor raubenden
Schlägern.
Gegen
Mittag erreichte
ich eilig das Gemeinschaftszentrum am Rande des Townships von Du Noon und mir bot sich sofort ein Bild aus Leid und
Verzweiflung.
Das Elend,
welches sich einem offenbart wenn Menschen auf der Flucht sind, ist leider
überall gleich. Hastig mitgenommenes Hab und Gut liegt kreuz und quer verstreut
in der Gegend herum, schwangere Frauen sitzen am Boden und weinen während sich
Menschen um Wasser und Lebensmittel anstellen. Einzig die Kinder flüchten in
ihre eigene Welt von Unbeschwertheit und beschäftigen sich in all der Tristesse
zumeist mit einem Ballspiel.
Salut mes amis, ca va? Meine Frage blieb unbeantwortet und
die Männer wendeten sich von mir ab. Erst so langsam, als wir durch unseren
Einsatz etwas Ordnung in den Ablauf gebracht hatten, begannen sich die Menschen
uns anzuvertrauen.
Jean, ein
etwa 35 jähriger Kongolese aus Kinshasa machte den Anfang. Er sagte:“ Alles was
wir hatten, haben sie zerstört. Unsere Hütte wurde einfach angezündet und wir
konnten gerade noch flüchten. Wären wir nicht sofort aufgewacht, wären wir
jetzt tot. Dabei deutete er auf seine Frau und zwei Kinder.
Wie viele
andere aus seiner Heimat musste er vor Kabilas Terror
aus der DRC flüchten und endete schließlich als Asylant im Sinne der UNHCR in
Süd Afrika. In aller Verzweiflung machte er seine Lage deutlich und sprach
dabei für
viele:“ Was
sollen wir tun? Gehen wir zurück in den Kongo werden wir getötet, gehen wir
zurück in die Townships so verbrennt man unsere Hütten!“
Angesichts
des tragischen Schicksals dieser Flüchtlinge vermochten wir als freiwillige
Helfer wohl nur einen kleinen Teil zur Linderung des Leids beitragen. Doch
gerade in solchen Situation ist jeder spontane Beitrag sehr wichtig. Es war
wunderschön zu sehen, wie viele Freiwillige aus der Umgebung die Menschen mit
selbst zur Verfügung gestellten Nahrungsmitteln, Zahnbürsten, Decken und
Kleidung versorgten und ihnen ganz deutlich das Gefühl gaben in Cape Town
willkommen zu sein.
Innerhalb
von 3 Stunden gelang es mit vereinten Kräften die anwesenden Menschen auf
Listen zu registrieren, in einer Telefonzelle einen behelfsmäßigen Waschraum
für Mütter mit Kleinkindern einzurichten sowie eine improvisierte
Verpflegungsstation aufzubauen.
Die meisten
der Menschen hatten seit dem Vortag nichts mehr gegessen.
Mit dem
Einbruch der Dunkelheit war zumindest der Hunger besiegt und für einen kurzen Moment kehrte
auch ein wenig zuversichtlichere Stimmung im Lager ein. Leider nicht für sehr
lange. Mehr als zweihundert Menschen waren neu angekommen und verlangten
Einlass. Sie fuhren am Morgen in die Arbeit und in ihrer Abwesendheit wurden
einfach ihre Hütten niedergebrannt. Viele erfuhren diese Neuigkeiten von
Nachbarn per SMS, mit dem „guten Rat“ nie mehr wieder zu kommen.
Zusätzlich bereitete uns die hereinbrechende Nacht noch andere Sorgen.
Wie sicher war das Gemeinschaftszentrum in dem wir uns alle aufhielten, bzw.
wer sorgte sich morgen und danach um die Sicherheit und unmittelbare Zukunft
der Menschen?
Die Fragen,
die uns in jener Nacht beschäftigten, sollten noch länger unbeantwortet bleiben. Am nächsten Tag traf
zwar die Polizei mit Autobussen der Stadtverwaltung ein und brachte die
Menschen in sichere Flüchtlingslager, die Situation und die damit verbundene
humanitäre Katastrophe ist jedoch weiterhin allgegenwärtig und in keiner Weise
gelöst.
Was war
geschehen, und vor
allem, warum ist es geschehen? Um das zu beantworten ist es wichtig einen
Rückblick auf die politische und soziale Entwicklung des neuen Süd Afrikas zu
werfen. Während der mehr als 30 Jahre andauernden Politik der Apartheid und
besonders im Verlauf der blutigen Unruhen der frühen 90er Jahre boten fast alle
umliegenden Staaten Asyl für politische Flüchtlinge aus Süd Afrika. Darunter
waren Nelson Mandela und viele andere, die das demokratische Süd Afrika
aufgebaut haben.
Die
politische und soziale Situation hat sich seit der Wende auf sehr positive
Weise entwickelt. Der Staat besitzt eine der liberalsten Konstitutionen der
Erde und sieht es als seine Pflicht an Menschen Zuflucht zu bieten, die
politisch verfolgt werden.
Als
stärkste Industrienation Afrikas und als Rechtstaat im eigentlichen Sinne ist
die Republik Süd Afrikas oft auch der einzige Anlaufpunkt für Flüchtlinge aus
den krisengeschüttelten Ländern der
Umgebung wie Simbabwe und der DRC.
Auf diesem
Prinzip der brüderlichen und nachbarschaftlichen Verbundenheit beruht auch die
Integration von Flüchtlingen in Süd Afrika. Flüchtlinge und Einwanderer werden
umgehend in die Gemeinschaften aufgenommen und leben und arbeiten unter den
bereits ansässigen Menschen.
Damit ist
das Integrationssystem des neuen Süd Afrika weltweit
einzigartig. Es gab bis jetzt keine
Flüchtlingslager und Ghettos im eigentlichen und negativen Sinn. Die Menschen
unterschiedlichster Herkunft und Religion lebten als Nachbarn meist friedlich
nebeneinander und Sprachbarrieren wurden durch das multikulturelle
Zusammenleben schnell beseitigt.
Das galt
sowohl für die Townships(Armenviertel) als auch für mittelständische urbane und
suburbane Lebensgemeinschaften.
In den
Armenvierteln der
Großstädte manifestierte sich jedoch schon seit geraumer Zeit eine andere
Realität. Absolute Armut hält beinahe 50% der Einwohner Süd Afrikas in den
Townships gefangen und raubt ihnen den letzten Funken Hoffung auf ein normales
Leben. Dort wo die ausländerfeindlichen Attacken ihren Ursprung gefunden haben
wird der Nährboden für Hass und Gewalt sehr schnell deutlich sichtbar. Die
überbevölkerten Townships von Alexandra
und Rhamaphosa gleichen einem Armenhaus im
Elendsviertel und so gut wie alle die dort leben, wissen nicht ob sie am
nächsten Tag zu essen haben werden oder nicht.
Armut und Verzweiflung sind seit jeher der schlimmste
Nährboden für Hass. Dazu geht Gewalt
meist den Weg des geringsten Widerstandes. Wer immer in Alexandra den ersten
Stein geworfen hat war sich vielleicht dessen nicht voll bewusst, doch er hat
damit ein Ventil geöffnet, welches Verzweiflung und Angst in blinde Gewalt
umwandelte, die sich darauf am schwächsten Teil der Gesellschaft entladen hat.
Im gegenwärtigen Fall an den Flüchtlingen, Asylsuchenden und Ausländern.
Verschärfend
in dieser Situation wirkte sich die Neigung der Menschen zum Handeln im
Kollektiv aus, ein Charakteristikum für traditionelle afrikanische
Gemeinschaftsformen, welches nicht unwesentlich zur schnellen Ausbreitung der
Unruhen beigetragen hat.
In einer
Dorf oder Stammesstruktur wurde und wird immer vom Chef für alle entschieden.
Das Individuum hat mit seinen Interessen stets hinter die Interessen der Gruppe
zu treten und der ältere, mächtigere oder stärkere Anführer verkörpert das
Gesetz. In Gabon ist es beispielsweise üblich, dass
im Zweifel über eine rechtliche Streitigkeit der Ältere der beiden Parteien
Recht bekommt. Das Prinzip solcher Rechtsprechungen beruht auf überliefertem
Stammesrecht, von dem Teile, ähnlich des Römischen Rechts in Europa, in
gegenwärtige Gesetzgebungen und
Umgangsformen aufgenommen wurden. Genauso folgen die Menschen natürlich dem
Vorbild des Anführers. Was er macht, wird in keiner Weise in Frage gestellt.
Diese Verhaltensweise ist allerdings keinesfalls als rein Afrikanisch
anzusehen...
Der obengenannte Ansatz kann natürlich niemals den einzelnen
Gewalttäter in seiner Schuld entlasten, er hilft vielmehr zu verstehen warum
auf einmal Tausende Menschen bereit waren, ihnen unbekannte Opfer zu töten oder
sie zu vertreiben.
Unter
Berücksichtigung dieser ökosozialen Hintergründe wird jedoch auch deutlich,
dass die Ursachen der erfolgten Gewalttaten nicht von heute auf morgen
entstanden sind.
Das
volle Ausmaß der
größten humanitären Katastrophe im neuen Süd Afrika war wohl von niemanden wirklich absehbar. Warnende Anzeichen wie
grassierende Armut, überbevölkerte Townships und ausufernde Kriminalität sind
aber seit langem erkennbar gewesen und wurden teilweise nicht ausreichend
adressiert.
Für Süd
Afrika und auch den Rest der Welt wird es nun wichtig sein die Ereignisse der
letzten Tage und Wochen als Alarmsignal auf höchster Stufe zu erkennen und von
nun an vor allem rechtzeitig und angemessen zu handeln. Armut und den
dazugehörende Teufelskreis aus Verbrechen, Drogen, Gewalt und HIV gibt es
überall auf der Welt. Das darf nicht toleriert und als Problem von Randgruppen
oder Entwicklungsländern angesehen werden.
Illegale
und kriminelle Einwanderer dürfen nicht mit politischen Flüchtlingen
verwechselt werden und Asylsuchende müssen unter Mithilfe aller wieder in die
Gemeinschaften integriert werden.
Geschätzte
3 Millionen Menschen flüchteten aus Simbabwe über die Grenze nach Süd
Afrika. Die Tatsache, dass sich viele
der Menschen, aus Angst vor erneuter Verfolgung und Mangel an Information, vor
den Behörden versteckt hielten machte die Situation nicht einfacher. In den
meisten Fällen würde ihnen ein offizieller Flüchtlingsstatus zustehen.
Hier wird
es, neben gezielter Aufklärung, wichtig sein die Entwicklungen im Nachbarland
nicht passiv zu verfolgen, sondern mit allem politischen Einsatz für korrekte
und demokratische Neuwahlen zu sorgen. Solange Süd Afrika Toleranz für Robert
Mugabes Regime zeigt, wird die Opposition nie in die Position kommen Simbabwe
zu regieren. Nicht einmal wenn die Wahlen eigentlich gewonnen werden, wie es
bereits einmal in diesem Jahr der Fall war. Unter diesen Voraussetzungen wir
niemand freiwillig zurück nach Simbabwe gehen und Süd Afrika wird weiterhin
durch die humanitären Folgen belastet ohne sinnvoll zu einer Änderung der
Situation beizutragen.
Ein
weiterer wichtiger Schlüssel zur Reform liegt in Süd Afrikas Wirtschaft. Im Gegensatz zu
vielen anderen Ländern besitzt das Land die Rohstoffe und das Know How sie auch am eigenen
Sektor einzusetzen. Die Industrie muss durch Importregelungen mit ihren
heimischen Produkten am eigenen Markt wieder überlebensfähig gemacht werden.
Das Sterben
vieler Produktionsstätten führte bereits zu einer Arbeitslosenrate von
inakzeptablen 40% und der damit einhergehende Wegfall vieler Konsumgüter ist
ein weiterer logischer Schritt in die Abhängigkeit vom Import aus dem fernen
Osten.
Süd Afrika
erwirtschaftet nicht nur mehr als 25 Prozent des gesamten Afrikanischen
Wirtschaftsvolumens, es hat auch eine immer wichtiger werdende ökonomische
Vorbildrolle für den ganzen Kontinent. Die rapiden, weltweiten Anstiege von
Nahrungsmittelpreisen stellen speziell für Afrika eine scharfe Bedrohung dar
und momentan ist zu befürchten, dass selbst in Süd Afrika die jüngsten
Warnungen der Ernährungs- und Agrarkonferenz in Rom bald Realität werden
könnten.
UNO
Generalsekretär Ban Ki Moon
verlautbarte am Ernährungsgipfel in Rom, dass die weltweite
Nahrungsmittelproduktion bis 2030 um 50% ansteigen müsse um den künftigen
Bedarf zu decken.
Wie zu erwarten war, werden jene Länder, deren Märkte
sich in zu große Abhängigkeit von Importprodukten begeben haben die drohende
und teils bereits imminente Ernährungskrise besonders stark spüren. Ein Blick
auf die politische Weltkarte unterstreicht dies mit unmissverständlicher
Deutlichkeit. Der Preis für ein Barrel Rohöl kletterte bereits auf über 130 US
Dollar und weitere Anstiege sind aufgrund der instabilen Lage im Nahen und
Mittleren Osten jederzeit möglich. Die Weltbank quantifizierte den globalen
Preisanstieg für Lebensmittel innerhalb der letzten drei Jahre mit 83 Prozent.
Die
extremen Anstiege in den Treibstoff und Transportkosten heben allerdings nicht
nur weltweit die Preise von Nahrungsmitteln, sie haben auch eine wesentliche
Auswirkung auf ihre Erzeugung. Um dem wachsenden Bedarf an biologischen
Treibstoffen nachzukommen werden immer mehr landwirtschaftliche Flächen zum
Anbau entsprechender Agrarprodukte verwendet. Die dadurch reduzierte
Verfügbarkeit von Nutzflächen für den nachhaltigen Anbau anderer Produkte führt
bereits zu Lebensmittelknappheiten und hebt die Preise weiter.
Der in Rom
prognostizierte Preisanstieg für alleine den Zeitraum 2008 beläuft sich
auf 43%!
Europa
und der Westen
werden die Auswirkungen dieser Krise aufgrund des allgemeinen Wohlstandes etwas
gedämpfter spüren. Für Entwicklungsländer können und werden die drohenden
Preisanstiege jedoch eine existenzbedrohende Gefahr
darstellen.
Ein
libanesischer Bekannter von mir betreibt ein kleines Lebensmittelgeschäft in
Cape Town.
Dort
bezahle ich für einen Leib Brot nun 12 ZAR anstatt von 6,5. Der Preisanstieg
von fast 100 Prozent erfolgte innerhalb eines Monats. Ähnlich verhält es sich
mit vielen anderen Grundnahrungsmitteln und außerdem selbstverständlich
Treibstoff.
Für jene
Menschen, die ohnehin bereits an der Armutsgrenze leben bedeutet die Differenz
von 6 Rand, also rund 50 Euro Cent, jedoch den Unterschied ob sie zu essen
haben oder nicht.
Die
jüngsten Ereignisse in Süd Afrika forderten mehr als 60 Menschenleben
und jede dieser Gewalttaten, sowie das Leid, das sie über weite Teile einer
ganzen Nation gebracht haben ist unfassbar und unentschuldbar.
Doch seien wir vorsichtig und lassen wir uns nicht dazu verleiten das
Geschehene als rein lokale Problematik einzustufen.
Armut und
Hoffnungslosigkeit sind in Zeiten zunehmender Globalisierung ein
internationales Problem geworden und ihre Bekämpfung ist eine Aufgabe die für alle
Staaten Priorität haben muss. Nur so kann eine Katastrophe, wie sie hier
gerade geschehen ist, in Zukunft woanders verhindert werden!
Die Vision
und die Opfer von Menschen wie Nelson Mandela, Steve Biko
und Bischof Desmond Tutu dürfen nicht in Vergessenheit geraten und nie zuvor
hatten die Worte aus Mandelas Rede zur Gründung der Nation eine solch
notwendige Bedeutung wie heute.
>Never ,never and never again shall it be that people in this
beautiful land will again experience the oppression of one by another……<
Die
Vorbereitung zur nächsten Etappe und der Verlauf der weiteren Reise
Aufgrund
reger weltpolitischer Entwicklungen sowie auswärtiger Interventionen im Nahen
und Mittleren Osten, die zumindest vorübergehend nicht zur Demokratie - dafür
aber zu Instabilitäten - führten, waren die Routenoptionen meiner Rückreise
relativ eingeschränkt und die allgemeine politische Großwetterlage sehr
gespannt.
Eine der
wichtigsten bürokratischen Änderungen, die mich bei der Vorbereitung meiner nächsten Etappe
betreffen sollte, war eine Gesetzesnovelle der Russischen Föderation bezüglich
ihrer Visa Erteilung im Ausland. Seit Sommer 2007 ist eine Ausstellung des
Sichtvermerks grundsätzlich nur mehr an der, für das Heimatland des Betroffenen, zuständigen konsularischen Vertretung
möglich.
Als
Ausnahmen können fremde Staatsbürger mit dauerhaftem Wohnsitz im Ausland
gelten, sowie Personen, in deren Fall die Erteilung des Sichtvermerks einem international anerkannten Zweck dient
bzw. im Sinne der Russischen Föderation liegt.
Außerdem
werden Russische Visa mit längerem Gültigkeitszeitraum prinzipiell nicht für
Inhaber sogenannter Not oder Temporärpässe
ausgestellt. Theoretisch können
Ausnahmen bestehen, aber nur sofern die Gültigkeit des Passes jene des Visums
um mindestens 6 Monate überdauert. Mein Temporärpass aus Los Angeles wurde in
der Botschaft von Cape Town nicht
akzeptiert und das Ziel, ein für 90 Tage gültiges Russlandvisum für die
geplante Rückreise über Vladivostok nach Europa zu
beantragen, sollte mich in den kommenden Monaten vor einige interessante und
spannende Planungsaufgaben stellen.
Zunächst
brauchte ich einen neuen Pass. Das Ansuchen um einen Reisepass mit 10 jähriger Gültigkeit
ist außerhalb von Österreich jedoch nicht ganz einfach. Hierzu muss neben dem
längeren Aufenthalt im Ausland auch ein ausreichender Bedarf vorliegen. Ferner
müssen, so wie auch in Österreich, Staatsbürgerschaftsnachweis und
Geburtsurkunde im Konsulat persönlich vorgelegt werden.
Durch meine
Mission für UNICEF, sowie den Einreisestempeln von rund 30 Ländern im alten
Pass, stand zwar meine Reiseabsicht und der darausfolgende
Bedarf eines neuen Reisepasses ausreichend fest, die Ausstellung dauert aber
zwischen 6 und 9 Wochen und die notwendigen Papiere mussten erst aus Österreich
kommen.
Zusätzlich
war es nun wichtig mein Touristenvisum für Süd Afrika in eine temporäre
Aufenthaltsbewilligung umzuwandeln. Dieses Ansuchen hat eine Bearbeitungszeit
von etwa 6 Wochen und muss beim zuständigen Department des
Innenministerium vorgebracht werden. In der Regel wird diesem Ansuchen
stattgegeben, ein Anspruch darauf besteht jedoch nicht.
Ich war zum
Glück erfolgreich und bereits;) nach 2 Monaten hielt ich meine Bewilligung für
6 Monate in der Hand. Selbstverständlich ist dieses Permit
mit einer Nummer und einem Datum versehen und genau diese Daten sind für
das Ansuchen um andere Bewilligungen wie
Visa und Reisepässe zwingend notwendig. Auf ihnen beruht die Grundlage für die
betreffende Behörde, ob und wie lange man sich legal im Land befindet.
Nach
weiteren 6 Wochen
bekam ich meinen neuen Reisepass aus Österreich.
Mit einem
brandneuen Reisedokument, einer Aufenthaltsgenehmigung für 6 Monate sowie einem
Empfehlungsschreiben von UNICEF machte ich mich nun daran die Russen zu
überzeugen mir ein Visum zu erteilen. Diese Aufgabe sollte sich jedoch nicht
als ganz einfach erweisen.
Auch mit
einem Residence Permit für
Süd Afrika, so bemerkte der Konsul scharfsinnig, war ich natürlich kein Süd
Afrikaner und das müsste man bedenken. Außerdem konnte ein Visum für Humanitäre
Zwecke und einer Gültigkeit von zumindest
3 Monaten, nur mit Einladungsschreiben des Außenministeriums in Moskau
erteilt werden.
Obwohl ich
bereits ein Einladungsschreiben von UNICEF Russland hatte, müsste dieses trotzdem zuerst im Original an
das zuständige Ministerium in Russland gesendet werden. Dieses würde das
Ansuchen dann innerhalb von 10 Arbeitstagen prüfen und im Fall einer positiven
Entscheidung ein Telex nach Cape Town schicken. Sobald dieses Telex im Konsulat
ankommt, so versicherte mir der Beamte, würde ich aufgrund der
Außergewöhnlichkeit meines Anliegens das Visum erhalten.
Er gab
außerdem zu bedenken, dass es aufgrund der schlechten Strassen gar nicht
möglich wäre ein Motorrad durch Sibirien zu fahren und ich verrückt sein müsse.
Darauf schüttelten wir uns die Hand und zwei Wochen später bekam ich
schließlich meinen Sichtvermerk. Als ich darauf fragte wie viel ich denn
bezahlen müsste, antwortete der Konsul:“ Gar nichts, wir entschuldigen uns für
die Verzögerung und wünschen ihnen viel Glück bei ihrem Abenteuer“. Damit war
meine Weiterreise gesichert, ich bekam 90 Tage Aufenthalt mit zwei mögliche Einreisen.
Nach
Überwindung der bürokratischen Hürden erwartete mich nun der eigentliche organisatorische
Schwerpunkt der Weiterreise. Ich musste meinen Flug sowie den Transport des
Motorrades nach Korea fixieren, was aber ohne definitive Zusage des
Russlandvisums bisher nicht möglich war. Das Motorrad kam bereits aus Los
Angeles mit deutlicher Verspätung in Cape Town an und brauchte statt 38 Tagen
schließlich 64.
Solche
Verzögerungen sind im internationalen Schiffsverkehr immer möglich und je
früher man ein fixes Datum für den Transport angeben kann, desto eher kann der
Frachtagent Linien auswählen die den Zielhafen möglichst direkt anlaufen. Im
Endeffekt hatte ich genau ein Monat vor meiner letztmöglichen Abreise das Visum
im Reisepass und konnte noch Seefracht auf einer relativ direkten Linie nach Busan/Korea buchen. Das Motorrad sollte nun 30 Tage
unterwegs sein und um den 1. Juli in Korea ankommen.
Meinen
eigenen Flug nach Seoul konnte ich schließlich gerade noch für den 22. Juni
buchen, einen Tag vor Ablauf meiner Aufenthaltsgenehmigung in Süd Afrika.
Um mit dem
Motorrad über den fernen Osten nach
Russland einzureisen, stellt Korea einen
guten Ausgangspunkt dar. Das Land ist kulturell hochinteressant und stellt zudem noch einen hervorragenden
Verkehrsknotenpunkt dar. Neben zahlreichen Flug und Schiffsverbindungen
betreibt Korea auch eine Fährverbindung mit Russland. Diese Autofähre verkehrt
einmal wöchentlich und ist eine gute Möglichkeit mit seinem Motorrad gemeinsam
in Russland einzureisen.
Nachdem das
Bike hoffentlich einigermaßen zeitgerecht in Korea
angekommen ist, werde ich mit der Autofähre nach Russland übersetzen und in Vladivostok die letzte große Etappe meiner Weltumrundung
beginnen. Vom Pazifischen Ozean zurück nach Europa, oder rund 15000 Kilometer
von Ost nach West.
Die von mir
geplante Route folgt zu einem großen Teil dem Verlauf der Transsibirischen
Eisenbahn. Ursprünglich wurde neben der Bahn eine Strasse angelegt die dem
Bau und der Reparatur der Schienen dienen sollte. Die Strasse existiert immer
noch und die Bemühungen der Russischen Regierung sie vollständig zu
asphaltieren werden voraussichtlich irgendwann in den nächsten Jahren zum
Abschluss kommen. Diese Strecke führt über rund 8000 Kilometer durch einsame
und karge Sibirische Tundra und etwa 1800 Kilometer davon sind Erdpiste, die
abhängig von der Wetterlage, mitunter auch schwierig zu befahren sein kann.
Nach insgesamt etwa 12000 Kilometern werde ich, so Gott will, schließlich den
Ural erreichen, das Tor zu Europa.
Ich möchte nun mit einem sehr
herzlichen Gruß verbleiben und allen meinen Freunden, Interessierten und Lesern
einen angenehmen Sommerbeginn wünschen.
Vor nicht allzu langer Zeit stieß
ich zufällig auf die Zeilen des folgenden Gedichtes und möchte sie nun gerne
meinem sommerlichen Gruß beifügen.
If
I had my life to live over again. I’d try to
make more mistakes the next time. I would relax. I would limber up. I would be silier than I have been this trip.
I know of a
very few things I would take seriously.
I would take
more trips. I would climb more mountains, swim more rivers and watch more
sunsets. I would do more walking and looking. I would eat more ice cream and less beans.
I would have more actual problems and fewer imaginary
ones.
You see, I am one of those people who lives prophilactically and
sensibly and sanely hour after hour, day after day. Oh, I’ve had my moments and
if I had it to do over again, I’d have more of them.
In fact, I’d
try to have nothing else. Just moments, one after another
instead of living so many years ahead each day.
I have been
one of those people who never go anywhere without a thermometer, a hot water
bottle, aspirin, a raincoat and a parachute.
If I had it
to do over again, I would go places, do things and travel lighter than I have.
If I had my
life over, I would start bare footed earlier in the spring and stay that way
later in the fall. I would go to more dances, I
wouldn’t make such good grades, except by accident.
Nadine Stair, im Alter von 85 Jahren.....