Sonntag, 6. Juli 2008
Heute ist mein letzter Tag in Korea. Gleich am Morgen melde ich mich im Büro der Fährgesellschaft um die Überfahrt nach Zarubino zu regeln.
Wendy hat von Seoul aus alles hervorragend organisiert und mein Motorrad steht bereits abholbereit im Warenhaus. Glücklicherweise hat es den Transport aus Süd Afrika heil überstanden.
Der Zusammenbau erfolgt schnell, ich lege die Maschine auf die Seite, spanne das Vorderrad ein, tanke und die BMW startet beim zweiten Versuch. Koreas Zoll begnügt sich mit einer schnellen Überprüfung der Rahmennummer und ich bekomme meine Papiere.
Wenige Minuten später fahre ich auf die riesige Dong Chun Fähre, Koreas Verbindung mit Russland.
Die Maschine wird im Rumpf des Schiffes fachgerecht vertaut und einer sicheren Überfahrt steht nichts mehr im Wege.
Meine Schiffsreise wird mich nun, vorbei an Nordkorea, über 600km von Sokcho nach Zarubino führen. Zarubino ist Russlands südöstlichst gelegener internationaler Hafen und stellt zusammen mit Vladivostok einen wichtigen Versorgungspunkt für die Region dar.
Von Zarubino werde ich zuerst an der Chinesischen Ostgrenze entlang gegen Norden fahren. Nachdem ich Vladivostok und Kabarovsk passiert habe werde ich gegen Westen schwenken und entlang Chinas Nordgrenze über den berühmt - berüchtigten Trans Sibirien Highway fahren. Diese Strecke führt durch die einsame und unberührte Landschaft der Sibirischen Taiga und Tundra und wird mich auf einer Streckenlänge von über 4000 Kilometern, fernab jeder Zivilisation, immer wieder über harte Schotter und Wellblechpisten führen. So Gott will, sowie mein Material hält, habe ich dann Irkutsk und den Baikalsee erreicht. Das Meer Sibiriens.
Montag, 7. Juli 2008
In den Morgenstunden erreichen wir den Hafen von Zarubino. Mein erster Kontakt mit den Russischen Behörden
beginnt vor einem Blechcontainer im Hafengebäude. Die Schlange der Wartenden
besteht großteils aus Koreanischen Urlaubern und Geschäftsleuten und die
Russische Immigration arbeitet langsam und gewissenhaft. Besonders bei den
Geschäftsreisenden werden genauestens die Papiere überprüft wobei die Dame am
Schalter bei Unsicherheiten immer wieder
ihre Vorgesetzten konsultiert.
Nach rund zwei Stunden komme ich dran und in meinem Fall
laufen die Formalitäten absolut problemlos.
Die Beamtin untersucht mein Visum, hält es erwartungsgemäß gegen das Licht und
stellt fest, dass ich aus Österreich komme. Darauf antworte ich mit Ja und
bekomme meinen Einreisestempel. Auch mit dem Zoll verhält es sich ähnlich. Ich
werde abseits der anderen Wartenden schon vor der Gepäckskontrolle in ein Büro
gebeten und bekomme Kaffee serviert. Sofort setzt sich eine Dame sehr
freundlich mit mir und meinen Papieren auseinander und erledigt sämtliche
Formalitäten für mich. Selbst ins Büro der Versicherung muss ich nicht alleine
fahren, dorthin fahren wir gemeinsam mit ihrem Auto.
Nach etwa 4 Stunden sind alle Amtswege erledigt. Ich bekomme
eine für Russland gültige Haftpflichtversicherung für einen Zeitraum von 3
Monaten, die temporäre Importbestätigung für das Motorrad und den besten Kaffee
seit meinem Lieblingsitaliener in Cape Town. Besser hätte es gar nicht laufen
können. Russland ich komme!
Die ersten Kilometer auf dem Bike
sind wieder ein traumhaftes Gefühl. Ein neuer Kontinent wartet darauf erobert
zu werden und die Landschaft ist beeindruckend. Hier im fernen Osten Russlands
ist der Sommer recht kurz aber dafür sehr intensiv. Das Tageslicht reicht bis
23 Uhr, alles blüht und nirgends auf der Welt habe ich in der Natur so
intensive grüne Farben gesehen.
Die Küste wird gesäumt von einer sanften Hügelkette, es hat
mehr als 30 Grad und herrlicher Frühlingsduft steigt mir in die Nase. Schöner
kann man die Durchquerung eines neuen
Kontinents gar nicht beginnen.
Heute fahre ich nicht mehr weit und verbringe die Nacht in
einem kleinem Hotel direkt an der Küste.
Dienstag, 8. Juli 2008
Nach rund 150 Kilometern erreiche ich Vladivostok.
Von hier aus führt mich meine weitere Reise entlang der Chinesischen Grenze
nach Khabarovsk.
Als ich am Straßenrand anhalte um eine Trinkpause zu machen kommt mit plötzlich ein Auto entgegen. Der Fahrer dreht im Handbremsendrift mitten auf der Strasse um, lehnt sich weit aus dem Fenster und ruft mir irgendetwas auf Russisch zu. Im ersten Moment denke ich an einen Überfall aber dann versteh ich langsam was er will. Er sagt: “American Biker good, Ruski biker good“, und er ist ein Ruski Biker und lädt mich heute zu sich nach Hause zu seinem Bikerclub ein. Auch wenn ich natürlich kein American Biker bin freu ich mich sehr über die Einladung und gegen Nachmittag erreichen wir die kleine Stadt Lesozavodsk am Ussuri, dem Grenzfluss zu China.
In der Stadt treffen wir die Freunde und am Abend grillen wir im Clubhaus am Fluss. So freundliche Leute habe ich selten getroffen und vom ersten Moment an bin ich aufgenommen wie in einer Familie. Obwohl wir uns nur sehr begrenzt verständigen können verstehen wir uns und es wird ein toller Abend.
Mittwoch, 9. Juli 2008
Leider muss ich mich schon am Vormittag wieder von meinen neuen Freunden verabschieden und wir fahren noch gemeinsam zur Tankstelle. Jetzt verstehe ich auch warum gestern alle so genau wissen wollten um welche Zeit ich los fahren werde. Einige Leute vom Club haben sich extra von der Arbeit frei genommen um mich zu verabschieden!
Wie ich wieder alleine auf der Maschine sitze wird mir bewusst was für große Geschenke solch unerwartete Reisebegegnungen eigentlich sind. Genau diese machen eine Reise schlussendlich aus und gewähren jene Einblicke in ein Land die sonst nie möglich würden.
Donnerstag, 10 Juli 2008
Heute erreiche ich Khabarovsk. Je weiter ich gegen Norden fahre, desto heißer wird es.
Ich kann kaum glauben, dass ich in Sibirien bin. Die Sonne steht fast 19 Stunden am Himmel und das Thermometer klettert auf 40 Grad. Subjektiv empfinde ich den Sommer hier beinahe heißer als den in Süd Afrika, und das will was heißen.
Bei Khabarovsk überquere ich den Amur, den nördlichen Grenzfluss zu China und schwenke auf den Trans Sibirien Highway. Diese Strasse wurde vor 2 Jahren vom damaligen Präsident Putin eröffnet. Sie stellt die einzige Überlandverbindung zwischen dem Europäischen und dem Asiatischem Russland dar und führt, zumindest offiziell, von Moskau nach Vladivostok. Mein Russischer Autoatlas von 2008 zeigt den Straßenverlauf im kritischen Teilstück zwischen Tynda und Chita jedoch noch nicht an und ich hoffe ich kann diese rund 1000 Kilometer wirklich befahren.
Ansonsten ist die Strecke zu Beginn sogar teilweise asphaltiert und führt später über die traditionellen Russischen Schotterhighways. Diese mehr als zehn Meter breiten Pisten stellen bei Schneelage die besten Verkehrswege dar. Sobald der Untergrund friert und die Fahrspuren vereisen gibt der grobe Schotter noch einigermaßen guten Halt. Darüber hinaus sind diese Pisten auch weniger Wartungsaufwendig als Asphaltstrassen, bei 8 Monaten Schneelage ist die Zeit fast zu begrenzt eine gute Teerstrasse zu erhalten.
Überall dort wo kein Wellblech vorkommt machen diese Pisten natürlich auch mit dem Motorrad jede Menge Spaß und man gewöhnt sich mit der Zeit auch an die entgegenkommenden Lastwagen die einen jedes Mal in einer Staubwolke versenken.
Heute fahre ich noch bis Bellogorsk und verbringe die Nacht in einem Hotel. Wie ich den Besitzer dann nach einem Restaurant frage lädt er mich umgehend zu sich nach Hause ein.
Freitag, 11. Juli 2008
Bis nach Chita liegen noch etwa 1500 Kilometer vor mir. Hier hören auch die kurzen Asphaltabschnitte auf und die Strecke ist entweder Baustelle oder Piste.
Tankstellen gibt es alle 200 bis 300 Kilometer und dazwischen führt die Strecke durch einsames und unbesiedeltes Land. Gegen Abend beginnt es zu regnen und auch die Temperatur fällt sofort ab. Bei 12 Grad und Nebel hohle ich meine Regenbekleidung hervor und fühle mich endlich wirklich wie in Russland.
Die Nacht verbringe ich total ermüdet in einem Jugendheim bei einem kleinem Bahnhof. Aus Mangel an Gästen gibt es in dieser Gegend natürlich keine Hotels mehr und man muss Schlafen wo man aufgenommen wird.
Samstag, 12. Juli 2008
Heute erreiche ich die Abzweigung nach Tynda. Von hier sind es noch etwa 1000 Kilometer bis Chita und ab hier ist der weitere Zustand der Piste ungewiss. Es gibt zwar Verkehr und Wegweiser, mein sonst recht genauer Autoatlas von 2008 zeigt allerdings weder eine Strasse noch Tankstellen an.
In „the long way round“ haben Charly und Ewan dieses Stück mit dem Zug überbrückt da eine Überlanddurchquerung unmöglich schien, seitdem sind aber wieder einige Jahre vergangen und es gibt zumindest laut Auskunft der Lastwagenfahrer eine Verbindung mit intakten Brücken. Über die Qualität der Strasse kann aber niemand wirklich Auskunft geben und die Aussagen reichen von „bad road“ bis „no road“. Na ja, wir werden sehen, die einzige Möglichkeit den Zustand einer Strasse wirklich in Erfahrung zu bringen besteht darin sie zu fahren. Mit Nahrung für 3 Tage und Benzin für 500 Kilometer mache ich mich auf den Weg.
Kurz nach der Abzeigung überquere ich eine Brücke der Transsibirischen Eisenbahn und dann beginnt der Spaß.
Die Gegend wird noch eine Spur einsamer. Die anhaltenden Regenfälle haben den lehmigen Untergrund stark aufgeweicht und die beladenen Maschine fährt sich trotz neuer Endurobereifung wie auf Schmierseife.
Später kommen viele, mehrere hundert Kilometer lange Abschnitte mit heftigen Schlaglöchern, zerklüfteter Gebirgspiste oder Wellblech. Anders als in Afrika kann man sich hier auch nicht an den Pistenrand retten, dieser überrascht einen immer wieder mit metertiefen Auswaschungen und Steinbrocken. Das Wellblech flott zu befahren funktioniert genauso wenig, der äußerst scharfkantige und teilweise faustgroße Schotter ist bei hoher Geschwindigkeit der sichere Tod der Reifen.
Mein Motorrad rattert oft von einem Krater zum nächsten und ich bete, dass das Material hält. In der Abgeschiedenheit Ostsibiriens sind Pannen oder Stürze unbedingt zu vermeiden und ich fahre vorsichtig und vorausschauend.
Montag, 14. Juli 2008
Auch heute geht es gewohnt rustikal weiter. Die Piste variiert von feucht bis felsig und es ist etwas für jeden Geschmack dabei.
Manchmal führen schmale Erdpisten zu kleinen Weilern, in denen ich vor Einbruch der Dunkelheit einen Platz für die Nacht suche. Neben Benzin bekommt man hier meist die Möglichkeit irgendwo unterzukommen, eine heiße Gulaschsuppe zu essen und wenigstens für ein paar Stunden zu schlafen. Camping in der Wildnis wäre natürlich auch überall möglich, aufgrund der Bären, die hier sehr zahlreich vorkommen, sehe ich davon jedoch ab.
Dienstag, 15. Juli 08
Bis Chita liegen noch etwa 500 Kilometer vor mir und für einen kurzen Moment scheint sich das Wetter zu bessern. Das schmale Band der Piste schimmert sanft im Sonnenlicht und erweckt einen fast unwirklichen Eindruck.
Bereits gegen Nachmittag ziehen wieder dunkle Wolken auf und der Himmel wird mit einem Schlag fast nachtschwarz. Diese extremen Wetterwechsel sind gerade in der Einsamkeit Sibiriens höchst beeindruckend und sie lassen einen deutlich die Größe und die Gewalt der Natur verspüren. Wenn die schweren Wolkenbänke im Sturm über den Himmel ziehen und die Donnerschläge der Gewitter in den Bergen wiederhallen fühlt man sich plötzlich sehr unbedeutend und klein. Ich habe zudem großes Glück, bis jetzt haben mich die berüchtigten Hagelstürme der Region verschont. Die Auswirkungen dieser Wetterstürze, mit ihren tennisballgroßen Hagelkörnern, können verheerend sein.
Mittwoch, 16. Juli 2008
Rund 200 Kilometer vor Chita lasse ich die dichten Wälder hinter mir und die Piste führt durch hügeliges Grasland. Jetzt bessert sich auch das Wetter. Nach mittlerweile 4 Tagen kann ich endlich mein Regengewand ablegen.
Die Hügel der Umgebung erinnern sogar etwas an die bekannten Hintergrundbilder von Microsoft. Der Umgebung entsprechend natürlich in der Enduroversion!
Gegen Abend erreiche ich Chita und verbringe die Nacht in einer kleinen Raststätte. Bei der täglichen routinemäßigen Überprüfung des Motorrades bemerke ich heute einen Vibrationsschaden. Meine linke Alubox hat einen Riss neben der Aufhängung bekommen und nach den letzten 2000 Kilometern ist das auch kein Wunder. Ich bin wirklich froh, dass die Gabel und die Felgen der BMW durchgehalten haben.
Das Problem mit der Box ist zum Glück relativ schnell zu lösen. Ich unterlege einfach die Halteschraube mit zwei Metallsägeblättern und verändere so die Auflagefläche. Die scharfe Kante der Schraube vibriert jetzt nicht mehr an der gerissen Stelle sondern drückt auf das Sägeblatt. Das sollte bis Europa halten und zum Glück habe ich die Pistenabschnitte jetzt so gut wie hinter mir. Bis auf ca. 200 Kilometer nach Irkutsk ist der Rest der Strecke asphaltiert.
Abschließend muss ich sagen, dass der Abschnitt von Khabarovsk nach Chita wohl eine der schlechtesten und schwierigsten Strassen war die ich im Laufe meiner Weltreise befahren habe. Die Kombination aus materialzerstörendem Untergrund, der Abgeschiedenheit Ostsibiriens und der schieren Länge von 2000 Kilometern macht die Strecke auf einem Motorrad zu einem sehr fordernden und nicht ganz ungefährlichem Unternehmen!
Donnerstag 17. Juli 2008
Gegen Mittag komme ich in Ulan Ude an. Die Stadt nahe der Mongolische Grenze liegt am Selenga Fluss, einem der Zubringer des Baikalsees.
Von hier fahre ich weiter entlang des Flusses und folge dem wunderschönen Tal bis zum See.
Freitag, 18. Juli 2008
Am Vormittag erreiche ich den Baikalsee. Diese riesige Wasserfläche im Herzen von Sibirien ist absolut beeindruckend und die Uferstrasse von hervorragender Qualität.
Aufgrund der vielen Kurven ist die Gegend natürlich ein beliebtes Ausflugsziel für Motorradfahrer. Vorsicht ist trotz der guten Strasse aber dennoch geboten, viele Einheimischen machen hier ihre Kurzurlaube und in Russland scheint Urlaub unweigerlich mit Alkohol verbunden zu sein. Nachdem mir in einer Kurve ein brandneuer BMW X5 schlingernd und voll auf meiner Seite entgegenkommt reihe ich mich für den Rest der wunderschönen Kurvenstrecke dezent hinter einem Lieferwagen ein.
Gegen Abend komme ich in Irkutsk an und finde Quartier bei einem Russen in seiner kleinen Datscha. Er fährt gemeinsam mit mir einkaufen und ich kann sogar in seiner Garage am Motorrad arbeiten und Öl und Filter wechseln. Die Menschen die ich bisher in Russland getroffen habe sind wirklich großartig.
Samstag, 19. Juli – Sonntag, 20. Juli 2008
Irkutsk ist eine moderne Stadt mit dem Flair eines Sibirischen Dorfes. Die Leute genießen die wenigen heißen Sommertage und flanieren entspannt durch die Stadt.
Wie überall in Russland sieht man die großen Gegensätze zwischen arm und reich sehr deutlich. Sobald eines der heftigen Nachmittagsgewitter den Himmel verdunkelt eilen die schicken Damen der Gesellschaft auf ihren High Heels ins nächste Cafe während ihre männlichen Begleitungen schnell das Verdeck des Cabrios schließen.
Der Großteil der Bevölkerung kann von solchem Luxus freilich nur träumen und fühlt sich oft, im wahrsten Sinne des Wortes, im Regen stehen gelassen.
Montag, 21. Juli 2008
Heute setzte ich meine Reise wieder fort und mache mich auf den Weg in Richtung Krasnojarsk.
Nach Irkutsk wird die Strasse wieder schlechter, doch die knappen 100 Kilometer Baustelle sind bei Schönwetter sogar eine willkommene Abwechslung. Unbedenklich sind sie jedoch keinesfalls und so kommt es, dass mein Motorrad vorübergehend in die Schräglage befördert wird. Was mir auf der ganzen Reise bisher nur einmal in Marokko gelungen ist, dort habe ich einen offenen Kanaldeckel übersehen, gelingt einem der Russischen Bauarbeiter sofort spielend. Als sich einer der Männer für ein Foto auf mein Motorrad setzt und trotz meiner Warnung den Ständer einklappt, muss er erkennen, dass eine voll beladene BMW doch einiges an Gewicht auf die Wage bringt. Zum Glück bleibt er bei seinem Stunt unverletzt und auch das Motorrad landet wie es sich gehört am Sturzbügel, natürlich sehr zum Gelächter seiner Kollegen.
Dienstag, 22. Juli 2008
Effektive Wetterschutzmaßnahmen sind im rauen Klima Sibiriens von höchster Wichtigkeit und Bushaltestellen bieten einen hervorragenden Windschutz. Das haben auch die Kühe bereits begriffen. Mein Versuch eine kurze Pause einzulegen und etwas Tee zu kochen scheitert aus Platzmangel.
Gegen Abend erreiche ich Krasnojarsk. Hier werde ich den BMW Händler aufsuchen und meinen Hinterreifen tauschen. Nach den langen und steinigen Pistenabschnitten sieht der Gummi nach 5.000 Kilometern bereits so aus wie sonst nach mindestens 10.000 und es grenzt an ein Wunder, dass ich keine Reifenpanne hatte.
Mittwoch, 23. Juli 2008
Vitaly, der Leiter von BMW Motorrad in Krasnojarsk, spricht Englisch und nimmt sich meiner sogleich an. Zum Glück hat er im Lager noch einen letzten passenden Hinterreifen und wenig später bin ich wieder abreisebereit. Auch in Sibirien ist das Service von BMW wirklich ausgezeichnet, während ich auf den Reifenwechsel warte bekomme ich Kaffe serviert und kann im Büro das Internet verwenden.
Von Krasnojarsk sind es noch etwa 800 Kilometer bis Novosibirsk und die Landschaft führt wieder aus dem Wald in offeneres Gelände. Die Natur steht in voller Blüte und die intensiven Farben wirken auf einen als fuhr man mit dem Motorrad durch ein wunderschönes Gemälde.
Donnerstag, 24. Juli 2008 – Freitag 25. Juli 2008
Der Wettergott meint es leider weniger gut mit mir. Nach den heftigen Nachmittagsgewittern ist das Motorrad zwar frisch gewaschen und es gibt auch immer wieder wunderschöne Regenbogen zu bestaunen, die Temperatur fällt dabei leider auch beträchtlich ab und ich fahre ständig mit voller Winter und Regenausrüstung.
Nach zwei Tagen im Regen wird mir die Kälte zu blöd und ich verbringe die Nacht in Novosibirsk ganz einfach in einer Sauna. Angeschlossen an größere Hotels gibt es in Russland manchmal sogenannte Saunaapartments. Diese Etablissements sind stündlich zu bezahlen und mit jeweils mit eigener Sauna und Ruheraum ausgestattet. Freilich schläft es sich dort auch hervorragend und an schwachen Tagen zahlt man mit etwas Glück für 12 Stunden genauso viel oder wenig wie für ein langweiliges Hotelzimmer. Russland ist immerhin mittlerweile eines der teuersten Länder der Welt geworden.
Samstag, 26. Juli 2008 – Sonntag, 27. Juli 2008
Frisch erwärmt setze ich meine Reise entlang der M5 über Omsk und Chelyabinsk bis zum Ural fort. Diese Strasse stellt die einzige Hauptverbindung zwischen dem westlichen und östlichem Russland dar und trägt auch gleichzeitig den Schwerverkehr zwischen Kazakhstan und Moskau.
Anfangs ist die Strasse neu asphaltiert und zum Glück bleibt auch der Regen aus. Sobald ich das Massiv des Urals erreiche wendet sich das Blatt allerdings und ich muss die letzte geographische Hürde auf der Rückreise nach Europa im Regen überwinden, oder besser gesagt „überrutschen“
Genauso wie in Venezuela ist auch im Ural bei Regen höchste Vorsicht geboten, die Straße ist nämlich spiegelglatt. Der Grund dafür sind die schrottreifen Lastwagen, die sich mit kaputten Dichtungen in Schrittgeschwindigkeit über die Steigungen quälen und dabei die Strasse permanent mit einem feinem Ölfilm überziehen.
Russische Biker dagegen sind bekanntlich an winterliche Verhältnisse gewöhnt und sie schreckt ein Fahrverhalten wie auf Eis in keiner Weise ab. Mitten im perfekten Sauwetter habe ich die Ehre einen der lokalen Kurvenräuber auf seiner Hausstrecke begrüßen zu dürfen. Juri ist gerade auf dem Weg nach Moskau zu einem Bikertreffen und überquert den Ural traditionell auf einer Uralboxer. Das Motorrad hat er selbst aufgebaut und eine gewisse optische Eigenwilligkeit kann man dem Fahrzeug in der Tat nicht absprechen. Technisch scheint er die Maschine auch gut abgestimmt zu haben und die fast 3000 Kilometer von Omsk nach Moskau fährt er damit in 3 Tagen! Auf Russischen Strassen kein leichtes Unterfangen!
Montag, 28. Juli 2008
Westlich des Urals bessert sich das Wetter. Das schmale Band der Strasse liegt vor mir im Sonnenschein und ein Blick auf mein GPS lässt mich für einen kurzen Moment innehalten. Ich kann es fast nicht glauben, geographisch gesehen habe ich Europa erreicht. Nach fast 2 Jahren und mehr als 55 000 gefahrenen Kilometern wirkt es irgendwie unwirklich, dass der Ausgangspunkt und damit das Ziel meiner Reise schon fast zum Greifen nah ist.
Es sind nur mehr rund 1000 Kilometer bis nach Moskau und schon in 250 Kilometern werde ich bei Kazan die Wolga überqueren. Einfach unglaublich!
Dienstag, 29. Juli 2008
Heute überquere ich die Wolgabrücke von Kazan. Hier kreuze ich auch meinen eigenen Weg. Bereits 1991 kam ich an dieser Brücke vorbei und machte, damals gerade einmal 13 Jahre alt, eine Schiffsreise vom Schwarzen Meer über den Don und die Wolga nach Moskau.
Damals war ich ein kleiner Junge dem kein Abenteuer unmöglich schien und ich erinnere mich noch genau wie ich mich mit der Taschenlampe des Nachts die Gänge des Schiffs erforschte und tagsüber mit dem Feldstecher die Landschaft erkundete und Skizzen der Umgebung anfertigte.
Unter anderem blieben mir bis heute die schönen Strände der Wolga in Erinnerung. Schon immer wollte ich hier wieder einmal herkommen und natürlich nütze ich die Gelegenheit für eine kleine Pause am Fluss.
Mittwoch, 30 Juli 2007
Gegen Nachmittag erreiche ich Moskau und steuere gleich ins Zentrum. Alles kommt mir noch genauso vor wie vor 17 Jahren. Als kleiner Bub schritt ich damals den roten Platz genau ab und fertigte eine Karte mit den ungefähren Distanzen zwischen der Kathedrale, dem Kreml und dem Leninmausoleum an. Wie ich heute das Motorrad über die Brücke fahre und vor mir die Basilika erkenne erinnere ich mich auf einmal wieder genau und fahre auf die Kirche zu. Neben mir verläuft die Kremlmauer und vor mir erkenne ich bereist die letzte Ruhestätte Lenins. Als ich anhalte sammeln sich sofort Passanten um mich und fragen mich wo ich herkomme. Als ich ihnen von meiner Reise erzähle und mir eine recht angeheiterte Hochzeitsgesellschaft schon Wodka anbieten will nähert sich die Polizei. Die Beamten sehen meine Landung am Roten Platz zunächst etwas weniger entspannt und ermahnen mich die Fußgängerzone sofort wieder zu verlassen. Die Menschen mit denen ich mich gerade angefreundet habe setzen sich sofort für mich ein und als die Polizisten hören, dass ich um die ganze Welt gefahren bin und dabei den weiten Weg von Vladivostok nach Moskau mit dem Motorrad zurückgelegt habe ist ein Erinnerungsfotos kein Problem mehr. Später wünschen sie mir sogar eine gute Weiterreise!
Vor der Basilius Kathedrale..
und dem Leninmausoleum an der Kremlmauer
Donnerstag, 31. Juli 2008
Ich verabschiede mich wieder von Moskau und mache mich auf den Weg in Richtung Nordwesten. Ich werde Russland über die Grenze nach Lettland verlassen und über Riga weiter nach Litauen fahren. Nach einem beeindruckenden Sonnenuntergang entdecke ich durch Zufall ein modernes Hotel und Freizeitzentrum etwa 200 Kilometer außerhalb der Stadt.
Als der Besitzer meine Maschine sieht lädt er mich sofort zum Essen ein und ich verbringe den Abend mit ihm und seiner Familie. Vladimir war früher Russischer Diplomat und in Großbritannien und Süd Amerika tätig. Heute betreibt er mehrere Hotels, ein Transportunternehmen und besitzt Grundstücke und Immobilien in ganz Westrussland. Wie viele der erfolgreichen Geschäftsleute des Landes, war er nach der Wende unter jenen die rechtzeitig die Zeichen der Zeit verstanden und sofort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den Trümmerhaufen GUS investierten. Mit der Regierung Putins kam schließlich die erhoffte politische Stabilität und damit das Geld aus dem Westen. Lachend erzählt mir Vladimir mit einem Glas Gin in der Hand wie ihm seine ursprünglich geringen Investitionen nun mindestens 500 Prozent Gewinn bringen und wie er seine Einnahmen bereits wieder in neue Geschäfte investiert. Im Moment kauft er Industriegrundstücke in China und baut dort Lagerhallen. In Hinblick auf die kommende Infrastrukturverbesserung Chinas und die verbesserte Anbindung an das Russische Straßennetz will er für sein Logistik und Transportunternehmen rechtzeitig eine gute Ausgangsposition schaffen und sich etablieren bevor westliche Unternehmen die Preise zur Explosion bringen.
Freitag, 1. August 2008
Wie ich heute meine Fahrt an die Grenze fortsetze geht mir noch einmal meine lange Reise durch Russland durch den Kopf. Was war Russland doch für ein Land der ökonomischen Gegensätze. Leute wie Vladimir schwimmen im Geld und wissen oft gar nicht mehr in welches neue Geschäft sie ihre Millionen investieren sollen. Östlich des Urals hingegen offenbart sich einem eine total andere Realität. Die Städte sind heruntergekommen und die Menschen leben in halbverfallenen Gemeindebauten der Sowjet Ära, die teilweise an die vom Krieg zerstörten Häuser Angolas erinnern. Dinge wie fließendes Wasser und Müllentsorgung sind ein unbekannter Luxus. Weiter im Osten, in den sibirischen Dörfern, wird der Unterschied sogar noch deutlicher. Die Menschen leben in selbstgebauten und wackeligen Hütten fernab jeder medizinischen Versorgung und die Dörfer sind im Winter komplett von der Umwelt abgeschnitten. Trotzdem, und gerade das macht die unglaubliche Faszination aus die Russland auf mich ausübt, gehören die Menschen zu den freundlichsten die ich in meinem Leben treffen durfte. Gerade in der Einsamkeit Sibiriens erfuhr ich vielleicht die innigste und intensivste Gastfreundschaft auf der ganzen Welt und wurde von Fremden wie ein Familienmitglied aufgenommen. Sind die sozialen und ökonomischen Unterschiede in Russland auch noch so groß, so verband doch alle Menschen, die ich in Russland traf, eine wunderbare Eigenschaft. Überall wurde ich mit Freundlichkeit und Herzlichkeit empfangen und auch wenn ich als Fremder kam, ging ich wieder als Freund!
Samstag, 2. August 2008
Heute erreiche ich die Grenze zu Lettland. Die Blechkolonne reicht mehr als 10 Kilometer zurück und ich kann die LKWs mit dem Motorrad glücklicherweise sehr leicht überholen.
Die Formalitäten des Grenzübertritts erweisen sich auf beiden Seiten als absolut problemlos. Nach weniger als einer halben Stunde habe ich Russland verlassen und mit der Einreise nach Lettland bin ich wieder in der Europäischen Union. Mein letzter offizieller Amtweg führt mich schließlich zum Zoll um auf meinem Carnet de Passage die Wiedereinfuhr des Motorrades in die EU zu bestätigen. Die Beamten schauen etwas ungläubig als ich ihnen erzähle, dass ich schon seit fast zwei Jahren unterwegs bin. Ich bekomme aber sofort meinen Stempel und damit habe ich freie Fahrt, sowie noch rund 1500 Kilometer vor mir bis Wien.
Die nächsten Tage werde ich in Lettland verbringen und mir die wunderschöne Hauptstadt Riga ansehen. Dann werde ich den allerletzten Teil der Reise beginnen und über Litauen, Polen sowie die Tschechei zurück in meine geliebte Heimat Österreich fahren. Nach der langen Zeit unterwegs und all den Ländern die ich besuchen durfte, wird auch Österreich ein Platz sein den ich erst wieder neu entdecken muss und auf den ich mich schon sehr freue.