Montag, 20. Feb. 2007
Als wir
gegen Nachmittag den letzten Grenzposten von Gabon
erreichen öffnen uns die Soldaten gelangweilt den Schranken.
Nach kurzer
Fahrt verwandelt sich die recht brauchbare Piste in eine unberührte
Urwaldlandschaft. Als ich schon auf meinem GPS überprüfen will, ob wir nicht
falsch abgebogen sind, stehen wir plötzlich vor einem Schranken.
Darüber
weht die Fahne der Republik Kongo. Irgendwie habe ich die Begriffe Abenteuer
und Afrika ein Leben lang mit dem Kongo verbunden.
Als ich hier
nun selber an der Grenze stehe bin ich einigermaßen aufgeregt. Alles was man
über dieses Land hört ist mehr schlecht als gut. Es gab lange Zeit Bürgerkriege
und immer wieder grausame Konflikte zwischen den unterschiedlichen
Volksgruppen.
Die
Hauptstrasse von der Hafenstadt Point Noir zur Hauptstadt Brazzaville führt
nach wie vor durch Rebellengebiet und ist teilweise zerstört und gesperrt.
Doch wie so
oft in Afrika, wird auch an dieser Grenze alles weniger heiß gegessen als
gekocht. Der Grenzbeamte bittet uns freundlich in seinen Posten und macht sich
sofort daran die Reisepässe abzuschreiben.
Eigentlich
läuft alles sehr freundlich und korrekt ab, einzig die Forderung nach 30 000
CFA und die Androhung uns unsere Pässe nicht zu stempeln kostet mich als
Dolmetscher einige Überredungskunst. Nach harten Verhandlungen einigen wir uns
schließlich darauf, dass wir den Grenzposten aus Gründen der internationalen
Freundschaft und Verbundenheit einige Vitamintabletten spendieren und er uns
darauf aus Gründen der Gastfreundschaft den Einreisestempel verpasst.
Darauf
reisen wir also in den Kongo ein. Flankiert von freundlich winkenden Menschen
und kreischenden Kindern.
Was jetzt
kommt ist alles andere als einfach, zumindest was die Qualität der Pisten, oder
besser der Wasserwege angeht.
Schon auf
den ersten Kilometern passieren wir unzählige Wasserlöcher und der Landcruiser von Sarah und Steve fährt sich im Sumpf fest,
als sie versuchen einen Wassergraben zu umfahren.
Uns bleibt
nichts anderes über als die Bikes gegen die Schaufel
zu tauschen und mit vereinten Kräften den Wagen wieder auszugraben.
Aufgrund
der schlechten Piste verbringen wir die Nacht in einem der nächsten Dörfer.
Streng nach afrikanischer Tradition suchen wir den Chef de Village
auf und der erlaubt uns sofort unsere Zelte am Hauptplatz seines Dorfes
aufzuschlagen. Wie immer, sehr zur Freude der Einwohner. Es ist fast
unglaublich wie freundlich die Kongolesen zu uns sind. In jedem Dorf wird
unsere Durchfahrt laut bejubelt und gleichzeitig respektieren die Menschen aber
unsere Privatsphäre. Wenn man sieht, wie viele der Männer in den Dörfern aus
dem Bürgerkrieg als Krüppel zurückkehrt sind und
bedenkt, dass einige der Dörfer auf unserer Route mitsamt ihren Bewohnern
komplett ausgelöscht wurden ist diese unglaubliche Freundlichkeit ein doppelt
großes Geschenk.
Dienstag, 20. Februar 2007
Während der
Nacht gehen wieder schwere Regenfälle nieder. Als wir am Morgen aufbrechen,
haben sich die Pisten in tiefe Schlammfelder verwandelt.
Teilweise
verschlucken die Schlammlöcher fast das gesamte Vorderrad und jeder Dreh am
Gasgriff wird sofort mit einem heftigen Drift des Hinterrades beantwortet. Ich muss höllisch aufpassen, dass mir auf der
schwer beladenen BMW nicht ständig das Heck ausbricht und gleichzeitig die
Fuhre über das Vorderrad wegdriftet. Besonders wenn ich versuche mit einem
Lenkmanöver den tiefsten Wasserdurchfahrten auszuweichen.
In den
Fahrtpausen wir das Wasser aus den Stiefeln geschüttet und einfach mitten auf
der Strasse gerastet. Durch das meterhohe Gras neben der Strasse kann man oft
stundenlang nicht die Piste verlassen und die Fahrt kann bei 35 Grad mitunter
sehr ermüdend sein.
Den ganzen
Tag kämpfen wir uns durch schlammiges Grassland und Wasserlöcher.
Eines davon
ist sogar so tief, dass mir bei der Durchfahrt das Wasser bis zur Brust
schwappt. Nach rund 150 km und total erschöpft verbringen wir die Nacht in
einer katholischen Mission. Der Pater, ein polnischer Leihenbruder, empfängt
uns sehr freundlich und ich schlage mein Zelt einfach in einem Klassenzimmer
auf. Wegen der schweren Regenfälle, und der Schlangen. Angeblich suchen die
schwarzen Mambas, die es hier gibt, in der Regenzeit
trockene Plätze auf und nisten sich, wenn man Pech hat bei einem ein.
Mittwoch, 21. Februar 07
Nach den
erneut schweren Regenfällen der Nacht hat sich der Weg zur Katholischen Mission
in einen Fluss verwandelt. Ich muss meine ganzen Fahrkünste aufwenden um
alleine von der Unterkunft wieder auf die Hauptpiste zu kommen.
Die darauffolgenden 100km werden wie erwartet zum harten Kampf
gegen die Elemente. Überall, wo das Land flach ist, sammelt sich auch sofort
das Wasser.
Die Piste
führt durch tropisches Grassland und windet sich schließlich durch eine
wunderschön grüne Hügellandschaft.
Jeder Blick
zum Horizont lässt einen hier die unvorstellbare Größe und Weite des schwarzen
Kontinents erahnen.
Nach 4
Stunden harter Fahrt erreichen wir die kleine Stadt Dolisie.
Dolisie stellt den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt im
ganzen Kongo dar. Hier treffen sich die Pisten aus dem Norden mit der
Eisenbahn, die von der Küste zur Hauptstadt führt.
Die
Hauptstrasse, die Route N1, die eigentlich normalerweise neben der Eisenbahn
entlang führt ist jedoch gesperrt und teilweise zerstört.
In diesem
Gebiet, der Poolregion, wird weiterhin Krieg geführt und die Rebellen versuchen
jede Form von Güter und Personenverkehr zu unterbinden.
Dolisie
ist daher auch eine Militärstadt. Eine ganze Division hat die kongolesische
Armee hier bereit gestellt um die Eisenbahnlinie offen
zuhalten und den Transportweg ins Landesinnere zu gewährleisten.
Für uns
bedeutet diese Situation in erster Linie, dass wir nicht auf dem Landweg nach Brazaville reisen können und von dort weiter in die Demokratische
Republik Kongo und dann nach Angola, sondern, dass wir auf dieser Routenoption
mit dem Zug fahren müssten.
Ebenso der
Landweg nach Point Noir an die Küste stellt keine wirkliche Option dar. Die
Piste ist nämlich überflutet
Wir machen
uns also auf den Weg zum Bahnhof.
Der Bahnhof
gleicht mehr oder weniger einer Kaserne und man muss sich sofort beim diensthabenden Kommandanten melden. Nach erfolgter
Durchsicht der Papiere erklären wir ihm unsere Reiseabsicht mit dem Zug nach Brazaville zu fahren.
Da gibt es
allerdings ein Problem. Der Zug, der Fahrzeuge befördern kann ist ein
bewaffneter Militärzug. Auf diesen Zug könnten wir zwar unsere Kfz laden, die
Personenbeförderung für nicht Militärs ist jedoch verboten.
Niemand von
uns möchte besonders gerne sein Motorrad oder Auto unbegleitet durch ein
kongolesisches Kriegsgebiet schicken. Die Situation ist schwierig.
Wieder bin
ich der Übersetzer für alle und ich schlage die Möglichkeit einer
Sondergenehmigung vor.
Ich frage,
ob es möglich wäre einen eigenen Wagon zu mieten und einfach an den Militärzug
anzuhängen und in diesem Wagon bei den Fahrzeugen zu bleiben.
Der
Stationschef kann so eine Sondergenehmigung jedoch nicht erteilen und er meint
wir sollen einfach seinen Chef fragen.
Darauf hin
werden wir zum Colonel gebeten. Der Colonel, bei uns wäre das ein
Oberst, ist der verantwortliche Kommandant der Streitkräfte zum Schutz der
Eisenbahn in der Poolregion.
Natürlich
ist er am Nachmittag nicht in seinem Büro, doch nach einem kurzen Telefongespräch
bekommen wir die Erlaubnis, ihn morgen persönlich im Hauptquartier zu besuchen.
Die Nacht
verbringen wir wieder in einer katholischen Mission, wo man uns sofort anbietet
unsere schmutzigen Sachen für uns zu waschen, als man uns sieht.
Bei der
routinemäßigen Überprüfung meiner Maschine stelle ich erschreckt fest, dass
mein Getriebeöl milchig gelb geworden ist. Beim Durchfahren der vielen
Wasserlöcher muss irgendwo Wasser ins System eingedrungen sein.
Ich fahre
sogleich zur nächsten Tankstelle und bekomme zum Glück Getriebeöl mit der
passenden Spezifikation. Als ich es sofort darauf wechsle finde ich zum Glück
auch die undichte Stelle. Durch die harten Vibrationen hat sich mein
Schalthebel gelockert und man kann Spuren eines Ölaustritts erkennen. Da Getriebeöl
hygroskopische Eigenschaften hat dürfte durch diesen Durchlass Wasser in die
Getriebebox gekommen sein.
Ich hoffe,
ich habe das Problem damit gelöst. In Angola habe ich noch einige extreme
Pisten vor mir, die mitunter auch überschwemmt sein können.
Donnerstag, 22. Februar 2007
Gleich um 8
Uhr machen wir uns in Begleitung eines Sergeants auf
den Weg zum Büro des Colonels.
Das
Hauptquartier liegt in einer Kaserne. Wir passieren den Wachposten und
marschieren über den Antreteplatz. Die Situation ist
irgendwie unwirklich. Vor zwei Tagen hätte ich mir nicht gedacht, dass ich
heute einen kongolesischen Oberst treffe.
Durch einen
Vorraum erreichen wir schließlich das Büro des Kommandanten. Am Boden sitzt
sein Boy, ein Schuhputzer, der nur mit alten Shorts bekleidet ist. Automatisch
fällt mein Blick auf ihn. Auf seinem Kopf hat der Jugendliche eine tiefe Wunde
und seine Augen sind blutunterlaufen.
Ich
versuche mich sofort wieder auf den Ranghöchsten zu konzentrieren und reiche
dem Colonel die Hand.
Darauf werde
ich ganz unerwartet in perfektem Englisch begrüßt.
Der hohe
Offizier erzählt, dass er in den Vereinigten Staaten studiert hat und froh ist
uns offiziell im Kongo willkommen zu heißen. Darauf entschuldigt er sich für
die Unannehmlichkeiten in der Region und bespricht die Situation mit uns.
Das
Hauptproblem stellt unser Wunsch dar, mit den Fahrzeugen gemeinsam zu reisen.
Der Zug,
der Fahrzeuge transportieren kann, fährt im Moment durch Kriegsgebiet und außer
den Wachmannschaften und dem Lokführer darf niemand auf dem Zug. Der Grund
dafür ist, dass gerade dieser Zug häufig angegriffen wird.
Es wäre
möglich die Fahrzeuge voraus zu schicken und dann mit dem Personenzug nach zu
kommen. Eventuell auch, die Motorräder auf dem Personenzug mitzunehmen, aber
nicht den schweren Landcruiser.
Wir
bedanken uns beim Colonel für seine Hilfe und
verlassen die Kaserne.
Da wir
gemeinsam reisen, beschließen wir statt des Zuges den Weg über die Angolanische
Exklave Cabinda zu nehmen.
Das
bedeutet, wir werden morgen die Grenze vom Kongo nach Angola überqueren und
dann, abhängig von der Stärke der Regenfälle entscheiden, welche Routenoption
besser ist.
Zum Einen, gibt es die Möglichkeit das Delta des Kongoflusses
mit dem Schiff zu umfahren und so ins richtige Angola einzureisen und zum
Anderen ist es möglich über die Sandbänke des Flusses durch die Demokratische
Republik Kongo auf dem Landweg nach Angola zu reisen.
Sind die
Regenfälle jedoch zu heftig fällt diese Routenoption weg, dann ist das
Flussdelta nämlich Überschwemmungsgebiet.
Freitag, 23. Februar 2007
Heute
brechen wir nach Cabinda auf. Die Piste bis an die
Grenze ist nur 50 Kilometer lang und führt durch eine Tallandschaft zwischen
zwei Hügelketten.
Der Boden
ist zum Großteil lehmig und das Wasser sammelt sich in riesigen Lacken.
Für diese
50 Kilometer brauchen wir fast 3 Stunden.
Bei einigen
Wasserlöchern taucht der Landcruiser von Sarah und
Steve bis zur Heckscheibe ein. Für ein Motorrad wäre das wortwörtlich der
sichere Untergang. Mühevoll durchwate ich die Lacken
um die beste Stelle für die Durchfahrt zu finden.
Bei einem
der Löcher gibt es keine seichte Stelle und durch den Sumpf und das hohe Grass
auch keine Möglichkeit es zu umfahren.
Wir müssen
es also riskieren, es gibt keinen anderen Weg als durchzufahren.
Beherzt und
mir genügend Fahrt steuere ich auf die Mitte der Fahrspur zu. Die Maschine
taucht tief ein über die Gabel und das Vorderrad findet zum Glück genügend Halt
auf dem schlammigen Untergrund. Das Wasser spült über meine Sitzbank und reicht
mir bis zum Bauch. Ich spüre eine starke Verwindung als ich unter Wasser
offenbar eine Spurrille quere, ein kurzer Gasstoß bringt mich aber sicher aus
dem Loch.
Ich atme
auf, doch noch im selben Moment macht es Plopp und der
Motor stirbt ab. Zum Glück auf dem Trockenen.
Der
Luftfilterkasten und der Lufteinlass meiner BMW liegen relativ tief. Bei
solchen Zweckentfremdungen des Motorrades wie gerade eben, dürfte der Motor
Wasser angesaugt haben. Ich habe mir diese Situation immer mit Grauen
vorgestellt, jetzt bin ich mitten drinnen und muss irgendwie das Wasser aus dem
Motor bekommen.
Mir bleibt
nichts anderes über, als den Tank abzunehmen, das Wasser aus dem
Luftfilterkasten zu entfernen und die Zündkerzen herauszuschrauben.
Ich lege
den 5. Gang ein und drehe über das Hinterrad den Motor durch. Durch die
Bewegung des Kolbens wird das Wasser aus dem Brennraum des Zylinders gedrückt
und die Maschine ist wieder fahrbereit.
Gegen
Mittag erreichen wir die Grenze zur Angolanischen Exklave Cabinda.
Die Piste, die den Kongo und Cabinda verbindet
gleicht einem Buschpfad. Einsam und verschlungen führt sie durch den Regenwald.
Die
Geräusche des Urwaldes sind manchmal so laut, dass sie sogar das Brummen des
Motors übertönen. In den Bäumen kreischen Affen und ständig begleitet einen die
Kakophonie der Vögel aus dem Blätterdach.